Sonntag, 23. Juli 2006

was der regen nicht ...

was der regen nicht
mit seinen raren tropfen
sägt jetzt die grille

[sic-haiku]

überlebensgruß

1.

ich weiß
hinter den dunklen wolken
wartet mein vater
Wasmachstdueigentlich?

2.

der rüssel peitscht
den hasen solange
bis er einen bikini trägt
und der elefant
sich in ein chamäleon
verwandelt

3.
In meinem zerschossenen Knie
stand mein Vater,

über-
sterbensgroß stand er
da,

[...]


Paul CELAN


[referenz hierzu]

wind brachte ...

wind brachte
gewittergeruch
brach äste (dürre)
im schweigen dann
dein grollen von ferne

himmelweit dunkel
dein aug'

verborgen die blitze
dein'

karessiert
fliege mir haut

die lind' die sieg- ...

die lind’ die sieg-
is fahrn dahin
die hand bei flut
wölbt rundes sich
der lind’ der sieg-
versink’ im schlick
bei ebb’ der lind’
der sieg- is fahrn
im stocherblick
geht zeit dahin

Samstag, 22. Juli 2006

die einzige freiheit ...

die einzige freiheit : die wir haben : ist die freiwillige unfreiheit : der liebe : und ich meine : nicht : die liebe : zum vaterland : denn sie entspringt einem anpassungsprozeß : einer ehe beispielsweise : der ebenso freiwillig ist : aber nicht : in die freiheit führt : der liebe : in der wir uns unfrei : frei fühlen : denn es treibt uns : der trieb : und das körper- : -dasein : das keine zahlen kennt! : und nur noch : mit "mille" : sich befriedigen läßt : "basia" : catullus : ja

unfrei

„kluges thermometer“
dacht’ ich stets
„nie zeigst du mehr
als neunundzwanzig komma
neun grad celsius an!“

als wolltest du
dem übermut
der subjektiv
empfundenen hitze
einhalt gebieten
und mir hitze-
freiheit einreden

nein, heute war’s
mir gar nicht recht
daß du auf einunddreißig
und darüber stiegst...

Freitag, 21. Juli 2006

der traktor fàhrt seine bahn ...

der traktor fährt seine bahn
die augen seh’n, was sie immer sah’n
in all diesen jahren

die antwort fragt ein „ich ahn’“
immer schon, und du weißt es im wahn
in all diesen jahren

am ufer, nimm ihn, den kahn
es ist wie die zeit schon immer vertan
in all diesen jahren

übers meer dann will ich nah’n
mich der insel: zur speis’ mich zu fah’n
den kommenden jahren

Donnerstag, 20. Juli 2006

sich heim-at-men

sich heim-at-men
       ["il suffisso men del plurale in cinese..."]
atmen sie - hopp - die
atmen sie mehr das
atmen sie - hopp - und
den gelben den sommer-,
den reiter, den -fluß
       [Huang He
              Huangho
                     Hoangho]
abgemähter ...
hai mehrt er
wennerschreit (er)
dann fä-, dann frei-
dann schreit er
dann scheitan
dann reitet dich
hü-men sa-men
       a
              men
                     or
                            rhoe
mens sana non est sub luna
nur in der höh’

Mittwoch, 19. Juli 2006

mich blößt mein wort ...

mich blößt mein wort
das schattenlos
ich leg’ den
herzkieseln zu

ein mosaik aus
weißen steinen

den augen
angeträumtes rot

Dienstag, 18. Juli 2006

Rom und Catull

Rom und Catull

Sei nicht schockiert, Fremder,
wenn wir immer noch den
Genius des Catull nachahmen.

Da du nicht mehr die meine
sein willst, mich auch nicht mehr
mit keiner Liebe lieben willst,
werde meine Geliebte und
verkauf mir deinen Körper,
aber zu einem guten Preis;
ich vergelt’s dir mit Bildnissen
oder Cäsarenköpfen,
im Unterschied zu denen,
die ihre Schulden nur
mit Schwanzköpfen begleichen.

Valentino Zeichen - dt. von mir

Schwanzköpfe: eigtl. "teste di cazzo", was soviel wie "Arschgeigen", "Arschlöcher", "Blödmänner", "Idioten" usw. usf. Aber ich wollte auch mal so eine schöne Übersetzung hinlegen wie den berühmten "Mutterficker" in der deutschen Version von Vonneguts "Schlachhof Nr. 5" (oder war's Schlachthaus?)

Montag, 17. Juli 2006

[Wo das Meer stillsteht 5,12]

Wo das meer stillsteht (4)

3

bei irgendeiner adresse - schneiden kinder einen granatapfel auf
irgendeine adresse - stellt sich die kinder wie
augen vor - weiße nüsse im fleisch
blut - zwitschernder vogel geronnen zu glas
ein halber körper windet sich unsichtbar in den händen
und aufgekautes rosa gelee auf den zähnen verschmiert
tod - kinder haben’s gesehen

was uns vergißt und was erbarmungslos durch vergessen geheilt wird
lampenlicht abstrahiert von einer stadt im dämmer
wieder einmal - doch niemals das letzte mal

was uns der richtung entblößt und was durch zu viele richtungen entblößt wird
blau - immer ausgebreitet in kopfhöhe,
               wird schwarz im starren blick
muß immer ein irgendwo haben für die vergebliche hoffnung eines ausfalls
damit die adressen bildenden worte - sich an den eiter der menge gewöhnen
die leere - in der augenhöhle
               nur symmetrisch zum
meer - gestaltlos unter den händen der blinden

irgendeine adresse ist dafür bestimmt, silbrige parfümierte knochen zu pflanzen
unsere tiefen fortzureißen
von den jahreszeiten geröstete kindermandeln
werden zu jeder
               vorstellung - verneint durchs gesehen werden
               durch zerstörung hervorgerufen
der granatapfel - umwickelt blaue verkalkte kerne
das meer ist noch nie über die einsamkeit hinaus geschwappt
nie war da ein anderer - der unter den klippen zerschellte
wir hören uns - sonstwo fallen und zerschellen
kein meer, das nicht in die leere des gedichts rutscht
durch lang schon totes licht aufgeschnittene kinder - stehen still - dieses ufer
ist da, wo wir uns segel setzen sehen

[Wo das Meer stillsteht 5,11]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

meer

... das war's!

Freitag, 14. Juli 2006

passiv zumal

bin ein gehört werden von euren ohren
bin ein gesprochen werden von euren lippen
bin ein gerochen werden von euren nasen
bin ein berührt werden von euren händen
bin ein geschmeckt werden von euren zungen
bin ein gewesen werden von eurem heute
grad so wie ich geboren ward
durch mutter : zungen : mund

vgl. auch hier

Salustius, Über die Götter und die Welt – 14,1

14,1 Wenn es jemand für gut gesagt und wahr hält, daß die Götter unveränderlich sind, es aber andererseits problematisch findet, daß sie angesichts solch einer Natur den Guten helfen und die Bösen fernhalten können, sich über den erzürnen, der sündigt, und beschwichtigt werden können, falls ihnen gedient wird, dann muß man antworten, daß ein Gott sich nicht freut, denn was sich freut, das leidet auch; er gerät nicht in Zorn, denn auch der Zorn ist eine Leidenschaft; auch kann er nicht durch Gaben beschwichtigt werden, denn sonst gäbe er dem Vergnügen nach. Kurz, es ist nicht zulässig, daß das Göttliche auf die menschlichen Angelegenheiten reagiere: weder positiv noch negativ. Jene sind vielmehr immer gut und helfen nur; und niemals fügen sie Schaden zu, denn sie bleiben in ein und derselben Haltung konstant. Vielmehr sind wir es - wenn wir gut sind -, die durch Ähnlichkeit in Verbindung zu den Göttern treten, und die sich durch Unähnlichkeit von ihnen loslösen, wenn wir böse werden; und wenn wir tugendhaft leben, dann halten wir uns in dieser Verbindung, werden wir hingegen böse, wird sie uns abhold: Und das nicht insofern, als jene sich erzürnen, sondern weil unsere Fehler sie behindern, uns das Licht zu vermitteln, wobei wir uns - umgekehrt - mit den strafenden Dämonen in Verbindung setzen.

[Salustius 13,4] <<>> [Salustius 14,2]
Einleitendes

Donnerstag, 13. Juli 2006

im takt hin und her ...

im takt hin und her
der beregner
es seufzt dazu
die pumpe

der mond harret
seines aufgangs
ungesehen

(denn wär’ er
aufgegangen schon
er harrete ja nicht)

Mittwoch, 12. Juli 2006

falbich gesalpt ...

falbich gesalpt
häutich die haut
mal sehnen mal
ab das lehnen
kumm du, nun
kummer schon
kumm, und das u
ist die furch : pflüg!

verstoppelt die
fällt er die war-
tenden fällt er

Dienstag, 11. Juli 2006

seltend

ich selte
du seltest
er seltet
sie seltet
es seltet
wir - selten!
ihr seltet
sie - selten!

Montag, 10. Juli 2006

wind- wieder ...

wind- wieder
-getröstet

in den blättern
den halmen
die mimik
des kommens
des gehens

nein, weile nicht
auch nicht
ein weilchen

nirgends

Samstag, 8. Juli 2006

aprikosen auflesen und ...

aprikosen auflesen und
die ameisen fortblasen
die aus den ritzen
über die hand kriechen
bevor sie unterm ärmel
krabbelnd dem blickfeld
entschwinden : tausend
werden auf nirgendhaut
allüberall auf den poren

Freitag, 7. Juli 2006

so weit ein stein fliegt ...

so weit ein stein fliegt
steh' ich neben mir

und statt zu werfen
und mir weh zu tun

nur eins und in aeternum:
straßenbauarbeiten

[Wo das Meer stillsteht 5,11]

Wo das meer stillsteht (4)

2

die tausendteilige enzyklopädie der wellen hämmert die sätze ein
steine haben den chor gelöscht
kein gedicht, das nicht grausam wäre

sein interview mit dem dichter zu beenden
kälte - fließt klümpchenweise von der schneeweißen haut
dornsträucher - ziehen des winters verhöre in die länge

immer sauber abgepflückt von der allerletzten zeile
das aas - ist immer der ort, wo küken nicht ausschlüpfen können
der reflex des meeres an einer morgenwand

laß wort und wort vor aller augen einen menschen begraben
nichts bleibt übrig als die dunkle wolke des gedichts
es wird wer - gegessen stück für stück von seinem schreiben

wie ein gebrechlicher - im brüten über seine krankheit die autobiographie
des todes aus sich sickern läßt - den tod im himmel umarmt
keine schönheit, die nicht grausam wäre

keine dichterfinger, die nicht abgesägt wären
ruhig brennt - die untergehende sonne zwischen weißen seiten
und spricht aus - eine unaussprechliche angst


[Wo das Meer stillsteht 5,10] <<>> [Wo das Meer stillsteht 5,12]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

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