Freitag, 9. Dezember 2005

...

blättertiere
im scheinwerferlicht
hastiges
zurechthuscheln
das letzte
vom feuchten windkuß
zu fall gebrachte
behindert die sicht
fünf zentimeter
freier fall
des körpers im auto
und schlammspritzer

...

[Wo das Meer stillsteht 4,10]

Ernte

diese enthülsten – brennend heißen dächer
scheinen auf die tenne des sommers
diese himmel, die sich selbst der sonne ausgesetzt haben, werden plötzlich schwarz

das meer schrumpft – hell glänzende silberne dachziegel
zwei bäume brausen in entgegengesetzten richtungen davon
zwei hungersnöte – in eines menschen korn gesät

der tod des nächsten jahres ist bereits vorüber
das sonnenlicht hat sich den hals gebrochen
deine augen – ebnen die stadt der blinker ein

[Wo das Meer stillsteht 4,9] <<>> [Wo das Meer stillsteht 4,11]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

Donnerstag, 8. Dezember 2005

...

bianco_carrara

[carrara-marmor]

marbel mare bello : marmor mormoro : est macula in te
schön aber ist das unvollkommene : das nur-weiße ist nur weiß

...

ponte dell’immacolata

makellos sonnenschein
empfangen wir die botschaft
himmel so blau wie ein tischtuch
das die kilometerspeise
appetitlich präsentiert
uns unbefleckt zu genießen
als ohrenzeugen
unserer selbst
„so weiß der schnee!“

uns zu überbrücken
like a bridge over troubled water

...

haltgrenze

käfige XIV

ins niemandsland jenseits der ohre führte eine brücke aus holz : dort stand ein gerüst wie einst vor der mauer am brandenburger tor : und von dort aus konnte man etwas mehr vom nachbardorf sehen : sah aber nur die häuser am dorfrand : niemals menschen : ab und zu einen vopo : die hatten keine augen : sondern immer ferngläser anstatt der augen : gelegentlich standen autos mit fremden kennzeichen vor der brücke : das stieg dann aufs gerüst : guckte zeigte kommentierte : und fuhr dann zur nächsten grenzübersichtsstelle : der hohe drahtzaun dann später : elektrisch geladen : sprühte funken : wenn man etwas dagegen warf : weiter dahinter die betonmauer : die auch erst später hinzukam : ein paar kilometer weiter in der ostzone-sbz-ddr : das heimatdorf meiner mutter : aber das sind andere geschichten : wie auch die beiden onkel : die von dort aus über die ohre geflohen sind : und es grölt herüber vom tresen : der jungmänner chor : auf irgendeinem samstags-schwof : da oben auf den bergen : da steht ein gerüst : da werden die weiber : elektrisch geküßt : electrocuted

Mittwoch, 7. Dezember 2005

...

Salustius, Über die Götter und die Welt - 7,5

7,5 Da die Bewegungen sich ändern, ändert sich notwendigerweise auch das Wesen der Körper. So brennt der Himmelskörper nicht, noch wird er kalt, noch macht er irgendetwas, was für die vier Elemente kennzeichnend ist.

[Salustius 7,4] <<>> [Salustius 7,6]

Dienstag, 6. Dezember 2005

...

im brackwasser
schwarzgallig
schwimmschweben
embryonalzustand :
mag kein sein
zwischen nicht
und jetzt auch nicht
schwimmschweben
schwarzgallig
ungespiegelt

Montag, 5. Dezember 2005

...

es peitschen im sturm
an bäumen die zweige die
luft zur eile an

Sonntag, 4. Dezember 2005

...

wuthering

jenseits des fensters

...

[Wo das Meer stillsteht 4,9]

Schlangenbaum

1

fatale einbildungskraft, verpflanzt ins jenseits des fensters
in diesem augenblick – ist der garten teil eines giftigen himmels
in einer flut vervollständigtes grün
geschwollenes pferd – oder an faulen eingeweiden pickende krähe
ein kind starrt einen baum an und sagt – schlangen
ein zischen in den stumpfen ohren des sonnenlichts

2

der sturm bringt dich zum leben
sturm – schlangen peitschender künstler
doppelt erdichtete zweige
von schwänzen versiegelte knoten auf schrillen flöten
wie ätzende, in gebärmütter eingesperrte embryos

3

des frühlings schuppen aufbrechender finger – spuckebedeckt
gleitet auf seinen bauch

4

wo anfangen – dies sind bäume – und das sind schlangen
von einem toten zum andern
wie erträgt der schnee im körperinnern den schmerz der sich ablösenden haut
nach draußen fallend

5

der garten – ist teil eines giftigen gedichts
das ganze wetter wurde gerade aufgefaltet
alle bäume – folgen dem, was in einer schlange ausgebrütet wurde
dem, was furcht in eines kindes auge – was spaß gewesen
tief in deiner kehle zurückgehaltene zähne
erfinden diesen vogelsang – nachthimmel
niedergedrückt in schwarz-grünen morast, kriecht im widerspruch zu einem stück blau
freiwillig hungernde worte festgebunden in wahnsinns-früchten

6

in jeder minute wie viele atemzüge
in jedem atemzug wie viele schlangenbäume
in jedem schlangenbaum wie viele organe, die sich nach tod sehnen

7

die gestalt des vergehens hängt im innersten herzen – häuft erdboden an
ein baum, der fortwährend hervorwächst aus deiner beharrlichkeit
abwärts gebogen – eine beschnittene gerte aus reinem fleisch
treibt eine knospe, die keinerlei gift fürchtet
vier jahreszeiten – erörtern eine düstere winterästhetik
kaltes blut sickert in alle zerbrechlichen gelenke
im wind sich rückwärts bewegende füße – wie zungen verschlungen
und der dichter streift immer noch blätter ab
wo doch grausamer noch als eine pflanze die entblößte schlange
die mit kindheitserinnerungen
das kind durchbohrt
wie ein schlangenbaum, der sich zufällig in der muße verwirklicht

[Wo das Meer stillsteht 4,8] <<>> [Wo das Meer stillsteht 4,10]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

Samstag, 3. Dezember 2005

...

nebel sind des morgens gabe
für die nachtentstiegenen
deren blick
vom traume noch verklebt

verklärung im nichts

zwar stumm
der gesang
der tautropfen
im nebelmeer
doch sieht ihn
traumverklebt
nachtentstiegen
schläfers blick
noch vorm kaffee

so still
im nebel im winter am morgen
die früh

Freitag, 2. Dezember 2005

...

und es standen noch alle brücken
und es waren keine wasser
außer in den pfützen
und in den betten der flüsse
denn es waren viele wasser zutal geflossen
und füllten die betten der flüsse
bis an ihren rand
und meine schritte flossen
auf pflastermeeren und
tauchten in untergründe
und ich fuhr in den hades
und da sprach ich mit den müttern
meiner hände die da sind meine arme
und mit der mutter meiner arme
die da ist mein kopf
und schüttelte mich
und blickte um mich
und erkannte meinesgleichen
in den äpfeln der augen
und blickte abermals um mich
und nach oben
und stand vor der hohen pforte des gerichts
und bewehrte mich mit einer nummer
und die nummer war neunundsechzig
und also mußte ich warten
bis man die neunundsechzig
zum eide rief
da leistete ich meinen eid
und fuhr von dannen
wieder in den hades
dessen ich abermals entstiegen
sonst säße ich nicht hier

Donnerstag, 1. Dezember 2005

...

ohre

käfige XIII

heumahd die ohrewiesen wie assonanz zu heimat : kräuselt heugrün frauenhaar unter weißen hauben : riesenrechen häufen heu : forken fuchteln senkrecht um heuwagen : wanken hochbeladen hof- und scheunenwärts : barfuß in wassergräben durch betonröhren tief gebückt : flinke frösche in flinkeren fanghänden : das weiß man : daß dies den ohren mädchenschreie schenkt : aber dann wie gelähmt auf dem hochsitz inmitten der baumgruppe nahebei : weil der cousin vorgibt : eine schlange gesehen zu haben : und verlegenes drucksen vor frauenlächeln : und nicht nur die arme nackt : bei den jüngeren : lachen sich eins : barfuß in kurzen hosen : das hemd mit den indianern drauf : warme nasse füße : lachen sich eins

Mittwoch, 30. November 2005

...

Salustius, Über die Götter und die Welt - 7,4

7,4 Innerhalb der Welt ahmen einige Körper die Intelligenz nach und bewegen sich im Kreis, andere die Seele und gehen auf einer geraden Linie. Unter den letzteren bewegen sich Feuer und Luft nach oben, Erde und Wasser nach unten; während bei den Erstgenannten die Sphäre der Fixsterne im Osten aufgeht und die sieben Planeten im Westen. Für diese Erscheinung gibt es viele Ursachen, vor allem auch, weil die Unvollständigkeit der Zeugung aufgrund der Monotonie im Sphärenumlauf vermieden werden soll.

[Salustius 7,3] <<>> [Salustius 7,5]

Dienstag, 29. November 2005

...

unter den aufgespannten flügeln
einer möwe, die rudernd
zur landung ansetzt
im seichten novemberregen
zwischen piazza repubblica
und stazione termini - unbedeckt
und ohne schirm - haben plötzlich
alle pakistaner lust dich anzusprechen
und heben zum gruß
schirmbepackte arme

"ombrello? ombrello?"

Montag, 28. November 2005

...

der vorige beitrag wurde gelöscht, weil sich der fall erledigt hat, der ihn hervorrief.

Wie's dieser Rilke prophezeit hat:

Und wenn dich das Irdische vergaß,
zu der stillen Erde sag: Ich rinne.
Zu dem raschen Wasser sprich: Ich bin.


zitiert bei PYNCHON, Die Enden der Parabel, S. 972

Samstag, 26. November 2005

...

sind nicht auch
die tiefen
die wörter
wo

...

keintag heut' : unendlich nichtsein : woll : kenn : fluch : t : und pc : versumpft : wie die felder : ringsum

Freitag, 25. November 2005

...

Geburtstagssonett am 25. November 1999
für M.C.

Als ich heut’ morgen in der Früh’
Aus der Veranda vor die Landschaft trat,
Säumte linkerhand der Berge Grat
Fernhin und weit des Tag’s Debut

In einer rar erhab’nen Glanzrevue,
Zu feiern der Morgenröte Farbensaat,
Ins samt’ne Blau dann spielend, ohne Naht,
Wo glitzernd einsam und perdu

Luzifer mit einer One-man-show
Der Luna rechterhand am Himmel
Zu imponieren suchte, comme il faut!

Dies lautlos-visuelle Festgebimmel
Kam heute grade recht, und so
Denkt außer mir an Dich Dein Fimmel.

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