Donnerstag, 24. November 2005

...

[Wo das Meer stillsteht 4,8]

Die gestalt der gespenster

4

ja – tod das muttergleiche auge
hat den baum umduftet
’s ist der tod in einer mutter auge, der ein sommergedicht gebiert
diese purpurblume blühte den ganzen weg zu deinem ende hin
spiegelung reinen schwarzen marmors – läßt dich sterben, wenn du beginnst
du selbst inmitten einer orgie in den tiefen des himmels
ein verrückter – von der verrücktheit endlos eingegraben in eine spiegelung

augenblicklich siehst du das du in der anderen seite des steines dort

der ozean hat den tumbsten der blinden herausgewittert
als die lichtzehen verwundet – blau kann nicht wassertropfen sein
zwischen zwei spiegeln, die in entgegengesetzte richtungen fließen, gibt es kein entrinnen

niemals kann sein
wenn wir die simpelsten aller seelengestalten – sommer
hält den glanz aufrecht – mit einer mütter verzehrenden krankheit

wenn seelen einsamer sind als blumen je
dann wirst du hoffnungslos geboren vom tode deiner eig’nen augen

der zikaden zirpen – im körper – ohne ende

[Wo das Meer stillsteht 4,7] <<>> [Wo das Meer stillsteht 4,9]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

Mittwoch, 23. November 2005

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pfcahm

käfige XII

auf den wiesen an der ohre (heimatkunde : urstromtal) wuchsen wohl auch champignons. fuhr man also champignons sammeln, mit dem fahrrad in der früh’. kroch man unter über zäune. hatte stets das plattencover einer atom heart mother vor hinter neben sich stehen. auch wenn es die noch gar nicht gab. damals. elektrozäune auch, die anzufassen und den in die muskeln zuckenden stromschlag auszuhalten als mutprobe galt. electrocuted.
und wurde geweckt eines morgens von mutterstimme : „kommst du mit, pilze sammeln?“ : ich mochte nicht : blieb liegen : doch packte mich : nachdem sie weg war : das schlechte gewissen : machte mich meinerseits auf den weg in die wiesen : wo man nichts sah als weißen nebel : die mutter im nebel irgendwo : tappen rufen tappen : dann ein schemen nur : grobkörnig zunächst ihre gestalt : blendete sich ein : was mutter war

pking

Dienstag, 22. November 2005

...

die tage ziehen sich
der eine den andern
wetter sind
und wehen
gestirne unterliegen
der gunst der wolken

deine bücher
texte
der versuch
wetter zu simulieren

für ANH

Montag, 21. November 2005

...

seid ihr auch
ihr auch ja seid
ihr ist sogar
ihr du bist
im ihr seid

...

Es scheint, daß die Rasna („Menschen“ – so nannten sie sich) Gebiete teils gewaltsam eroberten, teils über den Handel friedlich druchdrangen. Wie auch immer, in relativ kurzer Zeit kam es zu komplexen Formen ethnischer Verschmelzung sowie zu einer starken Hegemonie der Sprache und Kultur. (Außer in den Fällen der Unbeugsamen, etwa den Ligurern und Latinern).

Umbrische Träume

Grünes Geprassel,
häuslicher Rauch
aus den rosafarbenen Aalen des großen Herdes,
und das gekräuselte Gras treibt beim ersten Mond,
zart und unversehens,
wie die Aprikosen im Lenz.

Ein Erinnern aus
reinem Silber, geschmolzen in Formen,
ein Kosen verkümmerter Apfelbäume
und ebener Behausungen,
wie Bergmägde geschnitten.

Noch widersteht Zuflucht
im geblasenen Kristallglas
mit seiner Rubintransparenz,
und das Viertelmaß,
angeschmarrt baumelnd,
röstet langsam die Farbe des Pflaumenbaums.

Karren lösen sich auf
im morgendlichen Dunst,
es nagt an ihnen feiner Rauhreif.

Hohe Krieger in schwarzen Mänteln,
Erinnerung einer Urtrauer,
recken kehlige Stimmen und dennoch Schwerter,
zweischneidig, freundlich vielleicht.

Es wird nicht gekämpft,
da der Mars des Gelübdes genesend,
im ersten sanften
Meerwinterweiß.
Hetum ale vinum usi
                        ein Trankopfer biete dar, den Wein schenk aus.

Es tanzen leicht, inmitten der Fohlen, umbrische Brüder.

(übersetzt nach: Anonimo „Al tramonto del Sole – Usil repìne – Frammenti epici e lirici. La disperata storia del popolo etrusco” – Arezzo 1997)

Sonntag, 20. November 2005

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sarc_01_small

L'Eros degli Etruschi

(big coloured pic here (in Boston))

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Salustius, Über die Götter und die Welt - 7,3

7,3 Um zu zeigen, daß sie [die Welt] immer schon gewesen ist, mögen die folgenden Betrachtungen hinreichen.
Wenn sie unvergänglich ist, so ist sie auch schon immer gewesen, da alles, was entsteht, auch vergeht.
Wenn außerdem die Welt durch die Güte des Gottes existiert, muß der Gott in alle Ewigkeit gut sein, und die Welt in alle Ewigkeit mit ihm zusammen gehen. Grad so, wie gemeinsam mit der Sonne und dem Feuer das Licht existiert und mit dem Körper der Schatten.

[Salustius 7,2] <<>> [Salustius 7,4]

Samstag, 19. November 2005

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mele

immer noch äpfel

...

vom kalten nordwind entfacht
lodert himmelsblau

und immer noch
sockenlos
in sommersandalen
soso

Freitag, 18. November 2005

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cotedor

käfige XI

die flasche bockbier austrinken, ein stück schwarze nußschokolade im mund zerkauen, aller pflichten mich enthoben fühlen, wovon mich fensterblicke ins dunkel hinein versichern...
ich weiß noch, wie einst die ohre zufror. das einzige mal, soweit ich mich entsinnen kann. vielleicht war sie ja auch noch nicht begradigt. das war auszunutzen. also die schlittschuhe an den klobigen schuhen festschrauben und los. bei den anderen klappte es natürlich besser. meine schlittschuhe hafteten nicht so gut, gingen dauernd ab, so sehr ich auch mit dem schlittschuhschlüssel fuhrwerkte. auf der anderen seite der grenze schauten uns die vopos mit ihren ferngläsern zu. ich kam schließlich mit flatschender sohle zu hause an.
entlang der straße zur grenze gab es gleich hinter dem schützenplatz ein trübes gewässer: die lehmkuhle, rings von bäumen umstanden, und ergo gut versteckt. die fror öfter zu. hier spielte man eishockey mit entsprechend zugeschnittenen ästen. als puck dienten leere kaffeesahnebüchsen (“nichts geht über bärenmarke, bärenmarke zum kaffee“), schließlich befand sich gleich dahinter der müllabladeplatz (und in die feuerchen die leeren spraydosen: das gab einen knall und die dosen flogen in die höh’). viele rauchten hier ihre erste zigarette. an DEN husten kann ich mich noch erinnern.

Donnerstag, 17. November 2005

...

autopsie

täglich legten sie die leiche ihrer jahre
auf den obduktionstisch
schnitten hier, sezierten dort
als sie das nunmehr blutleere herz
aus dem aufgeklappten brustkorb
herausgenommen hatten
wollte niemand mehr hinsehen

jeder dachte plötzlich an eine ferne insel
an einen seltenen schmetterling
prüfte den sitz der haare oder
kontrollierte seinen reißverschluß

die zugenähte leiche kam für den
nächsten tag ins kühlfach
um das kalte neonlicht summten
später nur noch ein paar fliegen

(9.1.2002)

Mittwoch, 16. November 2005

...

[Wo das Meer stillsteht 4,7]

Die gestalt der gespenster

3

nein. aber angenommen, gespenster könnten nicht umhin, eines menschen alter zu haben, hätte tod dann noch einen sinn? verweste kinder *), zu scharen versammelt, würden das dunkelrote fleisch des jüngsten ins leben rufen. ist nicht auch die fliege, die in deinen mund fällt, tausende von jahren alt? sie legte ihre eier zu gleicher zeit. ein in deinem fleisch vergrabener kleiner weißer same erleuchtet dich. denn fleisch ist das einzige, das zum leuchten gebracht werden kann. den toten gefällt die zeremonie der geburt.

bei der feier zu einem fünftausendsten geburtstag wirst du all deine vergangenen du’s wiedererkennen – und das gespenst, das niemals dahinschwinden kann. einander träumend wie in einer umarmung unter der warmen berührung eines fingers, der nicht berühren kann, bist du und du zu einer familie geworden. es kann nur dieser körper sein, ein unzählige male verloren gegangener ort, und beide sitzen sie auf dem kleinen platz aus stein, der das tiefere schwarz vergessen hat, das zurückgelassen wurde. nein. schmerz. tausend jahre dehnen sich in ein einziges zucken.

*) die englische übersetzung hat „rotted children“, die italienische „giorni marci“ und das chinesische orginal gibt folgendes wieder (leider ist es mir nicht gelungen, einen besseren scan herzustellen):
yang182

[Wo das Meer stillsteht 4,6] <<>> [Wo das Meer stillsteht 4,8]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

Dienstag, 15. November 2005

...

es war als hätt’ der himmel
mich gezuckt wo ich ertrank
ins donnertal daß lippenschwall
den porsche vor dir fuhr
und augen auf asphalttangenten
in grelles schwarz entsetzt
was dann als raum an dir
vorüber kam geflossen
und rauschte flügelprasselnd
als ginge es nach haus

Montag, 14. November 2005

...

radenbeck

käfige X

worum es geht: um den käfig meiner geschichte. besser noch: um die käfige, in die mich meine geschichte einsperrt. in denen ich umhergehe, mit dem finger, der über die stäbe wie über saiten gleitet, deren klang jedoch dumpf nur an ein plumpsen erinnert. kein harmonischer nachklang, kein ausklingen, keine good vibrations. das sind die käfige, die ich meine. die ich meine nenne.
ich weiß nicht mehr, wer einmal sätze schrieb, die alle anfingen mit: „ich weiß noch, wie“, um einen erinnerungsprozeß einzuleiten, um die „ich weiß noch“ weitere „ich weiß noch“ auslösen zu lassen. im grunde sehr simpel. ich habe es schon einmal probiert und merkte: es funktioniert.
etwa:
ich weiß noch, wie einmal die ohre begradigt wurde. die ohre ist der grenzfluß zum kreis salzwedel (einst ddr), der dann bei magdeburg in die elbe fließt. sie fließt etwa einen kilometer entfernt von meinem heimatdorf (siehe wappen). das bedeutet u.a. auch, daß die grenze zur ddr zum greifen nahe lag (aber davon später). bei der begradigung wurden große schlammhügel aufgehäuft, in denen es u.a. von aalen wimmelte. ich weiß nicht, ob sie jemand gefangen hat. ich fuhr (ich weiß nicht mehr, mit wem) mit dem fahrrad dorthin – und erinnere mich an diese schlammhügel.

Sonntag, 13. November 2005

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buzz8a

käfige IX

raum ist das unausfüllbar begehbare
ein käfig ist das ausfüllbar unbegehbare

Samstag, 12. November 2005

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Salustius, Über die Götter und die Welt - 7,2

7,2 Unvergänglich, weil man sie [die Welt] neu machen müßte, würde sie denn vergehen: entweder besser oder schlechter oder genauso; oder man gäbe Anlaß zum Chaos. Machte man sie schlechter, wäre derjenige ein Versager, der sie verschlechterte; machte man sie hingegen besser, fehlte es demjenigen an Gewalt, der sie nicht von Anfang an so machte; und machte man sie genauso, vollbrächte er ein vergebliches Werk. Was zum Abschluß das Chaos betrifft, ist es frevelhaft, ihm auch nur Aufmerksamkeit zu schenken.

[Salustius 7,1] <<>> [Salustius 7,3]

Freitag, 11. November 2005

...

vormals entfundenes
empfinden
emporsimplut
bescheidungsweh
kranicht verstan
wo rast am ratzen
becken mess
im zissen wo

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