Sonntag, 27. Juli 2008

dem tragischen ...

dem tragischen
helden
der sich im alter
von einhundertdrei
jahren in den
arno stürzte

er mochte nicht mehr


er hatte pech, er wurde „gerettet“. es sei nicht klar, warum er das getan habe.
Firenze, 26 lug. - (Adnkronos) - Un uomo di 103 anni ha cercato questa mattina di togliersi la vita gettandosi nell’Arno, a Firenze, all’altezza della passerella dell’Isolotto, alle Cascine. A seguito di una segnalazione, sul posto sono intervenuti gli agenti del Reparto a cavallo della polizia. Gli agenti si sono gettati in acqua e hanno tratto l’anziano in salvo, riportandolo a riva. Secondo quanto si e’ appreso, l’ultracentenario, era a Firenze ospite di un convento di suore Stimmatine, ordine di cui fa parte la sua unica figlia. L’anziano, secondo quanto spiegato dai familiari, conduce tuttora una vita attiva ed e’ lucido. Non e’ chiaro il motivo che lo ha spinto a compiere il gesto. In via precauzionale il 103enne e’ stato ricoverato per accertamenti all’ospedale di Santa Maria Nuova.

Freitag, 25. Juli 2008

Zwei Töne (Ungaretti)

zwei töne (Due note)
1927

gräser beringend ein schmaler bach

eines sees düsternis himmels wasserbläue kränkt

Inanella erbe un rivolo,

Un lago torvo il cielo glauco offende.


Giuseppe Ungaretti

Schon vor Jahren nicht weitergekommen hiermit. Wegen „un“ „il“, kein Unterschied zwischen Nominativ und Akkusativ. Wer kränkt, beleidigt hier wen? Zweideutig, auch in der frühen Fassung: „dann traf er auf einen düsteren See, den/der - der/den blaugrüne(n) Himmel beleidigt bzw. kränkt“ - Poi incontrò un lago torvo / che il cielo glauco offende. Die einzige Möglichkeit, die Zweideutigkeit auch im Deutschen wiederzugeben, war das Femininum. Die Verlaufsform des Verbs [eine im nachhinein zurückgenommen] ergab sich mir aus der Situation des Beobachtens: es geschieht, was ich seh’. Den Titel suggeriert der ursprüngliche „Colore“. Aigner, den ich las, hat:
Zwei Merkmale
1927

Ein kleiner Bach beringt die Gräser,

den blaugrünen Himmel beleidigt ein düsterer See.


eher feststellend als beobachtend im Ton... in solchen Fällen ist jedes Bessermachen ein Andersmachen, ein Lesen. Ein Auchlesen.

p.s. Das ist es wohl: in einem alten Wörterbuch fand ich „wasserblau“ für „glauco“, und so kann wohl der Himmel den düstern See beleidigen.

Donnerstag, 24. Juli 2008

finst’ ...

finst’
um
nacht
licht
sacht
sich
senkt

dir’s
sich

...

Zu schreiben, daß ich ihn, den Berg, auch ohne Brille seh’, geht ohne Brille auch wieder nicht. Zu sagen, daß er unvermittelt dasteht, macht ihn zum Vorwand, das Unvermittelte, es aufgebend, zu behaupten. Es sei denn, der Leser setzte sich ganz im Sinne eines „wer das liest, ist doof“ auf meinen Stuhl in diesem Moment. Oder nicht?

Mittwoch, 23. Juli 2008

Klage der Flöten um Tammuz

Ihre Klage geht um einen großen Strom, wo keine Weiden wachsen.
Ihre Klage geht um ein Feld, wo Korn und Gräser nicht wachsen.
Ihre Klage geht um einen Teich, wo Fische nicht gedeihen.
Ihre Klage geht um ein Schilfdickicht, in dem Schilf nicht wächst.
Ihre Klage geht um Wälder, in denen Tamarisken nicht wachsen.
Ihre Klage geht um eine Wildnis, wo Zypressen nicht wachsen.
Ihre Klage geht um das Dunkel eines Gartens voller Bäume, wo Honig und Wein nicht gedeihen.
Ihre Klage geht um Wiesen, auf denen Pflanzen nicht wachsen.
Ihre Klage geht um einen Palast, wo des Lebens Länge nicht zunimmt.


Wiedergegeben als „Klage der Flöten um Tammuz“ (babylonisch) in Frazers „Goldenem Zweig“ (im XXX. Kapitel)

ich welke dich ...

ich welke dich
und trink’ dir nicht
ich sterbe dich
und faß dich an
ich rühre dich
und blasse dich
ich halt’ die hand
daß blatt für blatt
ich halt’ die hand
mir fällt was ein
ich halt’s nicht aus
und blüh’, verblüh’
die hand schon voll
die blätter sind’s
so welk so bar
der red’ ich halt’
die hand und blüh’
was ich berühr’
und welke dich

der durst sei mir

sfiorire / sfiorare

Aller Blumen Königin die Rose Blume der Liebe doch lieber noch als Blume meines Lebens Blume die nicht welkt Blume die ich nicht ... sfioro
Immer lebst du in deinem Tun Mit den Spitzen deiner Finger ... sfiori ... die Welt ...
Mari der eine (Cento poesie d’amore a Ladyhawke), Salinas der andere (ital. Übersetzung von La voz a ti debida), bei dem einen endet’s so, bei dem andern beginnt es so. Sfiorire / sfiorare. Welken („verblühen, verwelken“) / berühren („streifen; streifen, nahe sein an; kurz berühren, streifen, andeuten“). Sfioro / sfioro. Sfiorisci / sfiori. Das Welken mag berühren, aber es berührt nichts, intransitiv wie es ist. Es müßte denn ein Berühren geben, das intransitiv ein Alles berührt, das grammatisch im Verb selbst schon vorhanden ist. Ein solche Gleichzeitigkeit von Welken und Berühren wäre der Tod, in dem sich ein Alles vollzieht. Aber im Leben läßt sich niemals in zwei Sprachen der gleiche Gedanke in Worten ausdrücken, die als Gleichung gelten könnten. Es bleibt bei den Gleichnissen und den Netzen, die man um diesen Umstand herum strickt. Spinnt.

Dienstag, 22. Juli 2008

das helle ...

das helle
wie’s brennt
als lichter
fleck im
schein der
sonne

untergeh’n

flamme che
einst lodernd
- quella sera -

langue
irn’dwie
a long...

Montag, 21. Juli 2008

...

woelkchen

er hat ein wölkchen vor dem mund, es tut sein singen kund

aus Loseys ‚Don Giovanni’ [kam heut’ so ins haus, weshalb ich einst ein kino jenseits des Arno aufsuchte, Oltrarno auch genannt das viertel]

wir haben des anderen ...

wir haben des anderen
nicht nötig
aber wir haben nötig
des anderen
um zu verstehen
daß wir nicht nötig haben
des anderen
drum die not
die allweil
sich zeigende

...

Ein spitzer Bleistift schreibt dich auf die schmalen Pfade, die unter deiner Hand kein „a“ dem andern gleichen lassen und jedes Zögern verraten, und das „g“ sieht auch nicht so aus wie das „s“, wie es der gestern noch stumpfe Bleistift nahelegte, womit bewiesen, daß „gaga“ mit ihr nichts zu tun.
„Nicht nur rate ich, ich lese auch. Anstreichungen mit Bleistift und allen möglichen Farbstiften, keusche Ausstreichungen als Folge der Unkeuschheit, Ausrufungs- und, öfter auch Fragezeichen, schmeichlerische und beleidigende Postillen und Paraphen breiten über die Seiten des heimgekehrten Exemplars ein Spinnengewebe aus Interpretationen und Anmerkungen wie sie grotesker und widersprüchlicher Dante und Burchiello nicht zuteil geworden.“ - Carlo Dossi, Die Endung in A (aus einer meiner fragmentarischen Übersetzungen dieses Autors (Motto, Villon zitierend: „Craignez le trous, car ils sont dangereux.“)
Beim Hervorholen des Buchs fiel dieses andere Übersetzungsfragment aus ihm und mir entgegen:

desinenzaa

Sonntag, 20. Juli 2008

still stehen ...

still stehen
fragt’ ich
die wipfel doch?
wie sie in den
himmel zurr’n
ihr nadelgrün
so gar nicht
spiegelgleich

als ich keiner
merkte gewahr
zu werden
kamen sie

laut schreien
fragt’ ich
die schwalben doch?

und blieben und
dennoch wer weiß wo?

Samstag, 19. Juli 2008

...

Das Chthonische schwerer Weine, besonders aber der Weißweine, weil sie den Kopf freier, aber den Körper um so mehr Wurzel schlagen lassen. Die roten färben den Kopf und das Auge und machen die Zunge schwerer, als lege sich das Rote um sie, in das sie getaucht. I like „Transparent Things“. Allerdings flattert es opak vor meinem Fenster: mir Ersatzvorhänge, die den halben Himmel bedecken, der Nachbarin über mir aber die Vorhänge, die sie zum Trocknen aufgehängt. Vorhin waren’s die roten, jetzt die blauen, aber den Berg lassen sie mir. Irgendwann wird’s eh’ dunkel.
Vor ein paar Tagen aufgeregtes Öffnen eines Umschlags aus Massachusetts: Lowell Edmunds, From a Sabine Jar - Reading Horace, Odes 1.9. About seventy articles, notes, or parts of books on Horace, Odes 1.9, called “The Soracte Ode” after the mountain named in its second line, are in print, not to mention dozens of commentaries in several languages. ... aber den Berg lassen sie mir. Und hier auf über 100 Seiten.
Weithin der Blick, das Opake plötzlich verschwunden, da ist Erde, die sich senkt und die sich hebt. Auch Ceres Geschenk. Die Farben, die ihren. Die der Vorhänge, die der Weine.
gratus puellae risus ab angulo - il riso piacevole della fanciulla … nell’angolo più remoto - Und jenes süße Lächeln vom Winkel her - When a girl’s laughter happily betrays Her hiding place [wenn doch ein Lächeln hörbar wär’! - o, Mörike]: Dann schenke Freund Thaliarchus uns Vierjähr’gen Weins, und ja genug, ein Aus dem sabinischen Henkelkruge.

Freitag, 18. Juli 2008

...

Mich ausgelassen habend, bin ich’s. Ohne mich von mir abzusehen. Eher schon ein Versehen. Es drängt, aber dringt nicht. Durch. Die Kreislinie, das Q-Häkchen. Schönen Gruß an die Spitze. Hammerfest. Dacht’ ich so gestern, dacht’ ich so heute, in summen sunnen in mitten... übers Jahr.

Donnerstag, 17. Juli 2008

die wörter ...

die wörter
deren lücken
(lacune)
die sie ausdrücken
das leere
das weite
(lagune)
das boot
die stirn
die nachahmt
den spiegel
in der brise
wenn die grenze
eindringt
sich ausdruck
verschaffend

lücken

in den  örtern  ücken  assen,  amit man sich was  enken  ann. so ganz ohne an aute oder mit  erein achten an auten zum  eispiel, als ob sie irgendwo an ingen, wie  ersch undene f üsse unver ehens  ieder zu  age  reten. sie dann  ieder unte   ag   icke   ohne  blau . bis sie ganz  er  unde  sich erü rige  : wie die wolke, die es über dem meer regnen läßt.

Mittwoch, 16. Juli 2008

wenn ihr wollt…

Pause

DIESELBE: Von der Vergangenheit sprechen: wie schön das sein muß, weil’s so unnütz ist und soviel Schmerz verursacht...
ZWEITE TOTENWÄCHERIN: Laßt uns, wenn ihr wollt, von einer Vergangenheit sprechen, die wir nie hätten haben können.
DRITTE TOTENWÄCHTERIN: Nein. Vielleicht haben wir sie ja gehabt...
ERSTE TOTENWÄCHTERIN: Eure Worte sind nichts als Worte. Wie traurig es ist zu sprechen! Eine so falsche Art zu vergessen!... Und wenn wir spazierengingen?...
DRITTE TOTENWÄCHERIN: Wo?
ERSTE TOTENWÄCHTERIN: Hier, von einer Seite zur andern. Daraus entstehen manchmal Träume.
DRITTE TOTENWÄCHTERIN: Träume worüber?
ERSTE TOTENWÄCHTERIN: Ich weiß es nicht. Warum sollte ich das wissen?

Fernando PESSOA, O Marinheiro (nach der ital. Übersetzung von Antonio TABUCCHI)
- Fortsetzung zu diesem.

weil sie mir geschrieben, ihr dieses am schluß des selber gesagten zurück...

Dienstag, 15. Juli 2008

flochten die ...

flochten die
linien
den weg der
die kuppe
des fingers
nahm
und der die
linien
verflocht die
den weg zu
der kuppe
des fingers
gaben

verflochten

Montag, 14. Juli 2008

...

rasant verstellt er sich zu einem betenden Hasen, um sogleich am Rande eines gigantischen Kohlfeldes die Konturen eines Chamäleons vorzutäuschen. Wer wagt es, darauf hineinzufallen?
Enno P. Gramberg, Volk verschwinde!

Sonntag, 13. Juli 2008

wie nach einem ...

wie nach einem
diluvium
uns leicht fächelt
ein ölzweig
in der gestalt
eines windhauchs
den uns bringt
eine taube
in der gestalt
eines offenen

fensters

und da er von
dem wein trank
ward er trunken

ersten mose neun
einundzwanzig

hodie, aber ohne den Rest

Denn hin und wieder eine wohlangewandte Stunde oder ein wohlangewandter Tag ist mehr ein Werk des Zufalls, als ein Werk der Kunst. - Die Lebenskunst muß durch alle Stunden und Minuten durchgehen, wie die Regel durch das Werk. - Dazu ist nöthig, daß der Mensch in jedem Augenblick wisse und empfinde, daß er lebe, welches ohne den festen Gedanken an den Tod unmöglich ist.
Karl Philipp Moritz, zitiert in: Uwe Nettelbeck, Der Kommentar, in: Die Republik, Nr. 120-122 (September 2006) - Nicht klar ist mir, ob er aus ‚Andreas Hartknopf’ oder ‚Andreas Hartknopfs Predigerjahren’ zitiert, aber es ist gleichgültig für den Inhalt, und mir kommt’s sogar ungelegen, es nicht zu wissen, weil ich bisher weder das eine noch das andere gelesen. Ein Pro-Memento-Mori-Zitat, und wär’s nicht so plausibel, wie Moritz es zu sagen versteht, es hätte mich ein paar Falten um die Nase herum gekostet. Aber Moritz bejaht. „Cras tibi“ ist Hohn.
crastibi
Auf dem Rücken, den sie mir zuerst zuwandte, knüpfte mehrfach eine tätowierte Hand einen tätowierten BH von hinten auf, ihre Haare waren rot und schwarz gefärbt, auf dem rechten Oberarm, den sie mir dann zuwandte, ein tätowiertes Gerippe. Freitag in der U-Bahn. Schön war sie nicht. Schön die Erscheinung. Was heißt schon schön? Aber immerhin sagte sie „Nein“. Auch sie wird etwas begriffen haben. Im Zug kramte ich einen Euro heraus und gab ihn einer, die „santini“ verkaufte, das sind Heiligenbildchen: „non serve“, sagte ich, als sie mir zwei zur Auswahl hinhielt.

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