Sonntag, 8. Januar 2006

meine finger fummeln ...

meine finger fummeln
schokoladenkrümel
aus dem silberpapier
mein blick geht hinauf
ins bücherregal
zu „Krieg und Frieden“
dahinter ruht
la Garde au feu!

immerhin ergibt die schokoladentafel ein rechteck pappe : weiß nicht, zu welchem zweck : „man kann ja nie wissen“ : und reichlich nachgeschmack im mund : die feuerwache ist nichts anderes als feuerwasser für indianer wie mich : ich spreche von dem zur Entlastung von überbeanspruchten Gehirnpartieen, so sehr wichtigen Element der Um= und Abschaltung: auch hier treten, je nach Fall, Alkohol ein; Erotica: man begibt sich ins „Ganz=Andere“! [A. Schmidt: Fragmente]

Samstag, 7. Januar 2006

ein dunkles tier ...

ein dunkles tier
lauert auf dem acker
der schatten
meines kopfes

noch ein rekonstruktionsversuch

[Wo das Meer stillsteht 4,14]

Universität

wir streichen die marmelade einer generation aufs brot
wind – und rosa mädchenwaden
werden in den entschlossenen blick eines hungrigen wolfs gezwängt

kauen

das leuchtende weiß falscher zähne breitet sich aus im blut
sonnenlicht fährt fort, die überall im himmel herumstehenden antiken statuen zu zermahlen
der kopf der pfahlramme nickt bei jedem stoß

schlucken

sauber festgeklemmtes flügelfleisch
der klang des unterrichts ein von der kehle trocken gewrungenes handtuch
zum mittagessen – der rasen

den mund abwischen

pünktlich das wissen sauberwischen
bringt die um das armgelenk gewundene schlange in ordnung
wie die bei der promotion zu marmor gewordenen leute

ausscheiden

ausverkauf des masturbationsalters
schwarze kleiderärmel mit frischem orangensaft bespritzt
aufgeschwollener als alpträume
verderben – reift in einem verdorbenen magen

[Wo das Meer stillsteht 4,13] <<>> [Wo das Meer stillsteht 4,15]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

Salustius, Über die Götter und die Welt - 8,3

8,3 Doch zunächst muß untersucht werden, was ihre gemeinsame Natur ist.
Seele ist das, wodurch sich die beseelten Wesen von den unbeseelten Dingen unterscheiden: Bewegung, Empfindung, Vorstellungskraft, Intuition.
Irrationale Seele ist also empfindsames und phantasievolles Leben; rationale Seele ist Leben, das Empfindung und Vorstellungskraft beherrscht, und sie bedient sich der Vernunft.
Außerdem folgt die irrationale Seele ihrerseits den Neigungen des Körpers: deshalb begehrt sie und erzürnt sie sich auf irrationale Weise; während die rationale Seele unter Zuhilfenahme der Vernunft den Körper verachtet, und indem sie mit der irrationalen Seele in Widerstreit gerät, erzeugt sie Tugend, wenn sie die Oberhand gewinnt, Laster hingegen, wenn sie unterliegt.

[Salustius 8,2] <<>> [Salustius 8,4]
Einleitendes

Freitag, 6. Januar 2006

weiß gekleidet dein leib ...

weiß gekleidet dein leib
mein leib heischt: bleib!
drei leise schreie
umkreisen frei
mein feiles "dein!"
drei leiden treiben
einsam eitel heim

16.1.2001 - gesegnet sei das papier

Donnerstag, 5. Januar 2006

du aug' in aug' ...

lontano

du aug' in aug'
spieglicht verkehrt
du augen auch
dein stetes vor
wem steht es vor?
du augenaug'
bedenk' dein nach
in deinem hirn

die sonne rast durchs fenster ...

die sonne rast durchs fenster
schlägt mit der stirne
auf die scharfe ecke
dort am glastisch

auf dem fußboden
farbig ihr blutendes blut

[versuch, ein durch festplatten-crash verlorenes gedicht zu rekonstruieren: aber der wortlaut ist nicht derselbe, nur der stoff]

Mittwoch, 4. Januar 2006

Polyhymnia

polyhymnia

Polyhymnia : Centrale Montemartini : Rom

Kleopatra

kleopatra

Eines der Dinge, an die ich erst ganz zuletzt denke, wenn ich den Namen Kleopatra ausspreche, dürfte wohl das Wort von Pascal in bezug auf ihre Nase sein, und ich weiß nicht einmal, ob sie länger oder kürzer hätte sein müssen, damit das Antlitz der Welt dadurch in auffälliger Weise verändert wäre.

[...]

Wenn ich die Bedingungen überprüfe, unter denen Kleopatra, die Königin von Ägypten, ihren Tagen ein Ende gesetzt hat, dann beeindruckt mich das Zusammentreffen dieser beiden Elemente: einerseits die mörderische Schlange, das männliche Symbol par excellence, - andrerseits die Feigen, unter denen sie versteckt war, ein geläufiges Bild des weiblichen Organs. Ohne daß ich versuchen wollte, hierin etwas anderes zu sehen als ein Zufallsergebnis, kann ich doch nicht umhin anzumerken, mit welcher Genauigkeit diese Begegnung von Symbolen dem entspricht, was für mich der tiefere Sinn des Selbstmordes ist: gleichzeitig Selbst und ein Anderer zu sein, männlich und weiblich, Subjekt und Objekt, das was getötet wird und das was tötet, - die einzige Möglichkeit einer Kommunion mit sich selbst. Wenn ich an die absolute Liebe denke - diese Vereinigung nicht von zwei Wesen (oder eines Wesens und der Welt), sondern viel eher von zwei großen Worten - dann scheint es mir, sie ließe sich nur durch das Mittel der Buße erreichen, jener des Prometheus vergleichbar, der bestraft wurde, weil er das Feuer geraubt hatte. Eine Strafe, die man sich auferlegt, um das Recht zu erwerben, sich selbst zu sehr zu lieben, dies erscheint also, in letzter Analyse, als die Bedeutung des Selbstmords.

Michel LEIRIS, Mannesalter

ich bin der und ich bin die

Helmut SCHULZE, Äpfelschuh'

Cundrie

Cundrie
Wer ahnt erst, daß er träumen mög’, ist halb erwacht.
Die Nacht, vom Frühlicht angestrahlt, ist nicht mehr Nacht.

FOUQUÉ, Der Parcival, VI, 7

Cundrie (la sorcière) = Gralbotin

Dienstag, 3. Januar 2006

es bricht herauf so'n morgen ...

es bricht herauf so’n morgen
wie du ihn nimmer magst
zwar eilet wolkenflaum
in unter’n schichten
und oben reißet wolkengrau
die himmel die blauen in fetzen
doch dräuet and’res grau’n
in flau-flachen sätzen

übel steht’s mit dem tag
und mit dem text zum übersetzen
nämlich:
5 mal au und 1 mal oi!

Sonntag, 1. Januar 2006

ein rinnsal auf dem feld ...

ein rinnsal auf dem feld
ragt im steten tropfen
des in dachrinnen gurgelnden regens
in den dunkelabend hinein

widerschein des offenen fensters
war doch nur wieder schein

war nur der ast am walnußbaum

Samstag, 31. Dezember 2005

Lebenslauf

Größers wolltest auch du, aber die Liebe zwingt
    All uns nieder, das Leid beuget gewaltiger,
        Doch es kehret umsonst nicht
            Unser Bogen, woher er kommt.

Aufwärts und hinab! herrschet in heil'ger Nacht,
    Wo die stumme Natur werdende Tage sinnt,
        Herrscht im schiefesten Orkus
            Nicht ein Grades, ein Recht noch auch?

Dies erfuhr ich. Denn nie, sterblichen Menschen gleich,
    Habt ihr Himmlischen, ihr Alleserhaltenden
        Daß ich wüßte, mit Vorsicht
            Mich des ebenen Pfades geführt.

Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,
    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern',
        Und verstehe die Freiheit,
            Aufzubrechen, wohin er will.

Friedrich HÖLDERLIN

Freitag, 30. Dezember 2005

nemontemi

So entstehen [im Kalender der Azteken] 260 Kombinationen, unterteilt in 20 Gruppen zu je 13, ausgehend vom Tag 1 cipactli [Krokodil] bis hin zum Tag 13 xochitl [Binse]. Jede Zweier-Kombination ist ein tonalli, der eigentliche Name des Tages und Sinnbild eines Schicksals, das auf beinahe nicht wiedergutzumachende Weise das Leben desjenigen zeichnen wird, der diesen Namen trägt. […] Hier sei ganz einfach gesagt, daß der Tonalli als notwendige Voraussetzung eines jeden Daseins erscheint. Sehen wir einmal, was es mit den schrecklichen nemontemi auf sich hatte, […] die das 360-Tage-Jahr vervollständigten. „Diese fünf Tage hatten weder Namen noch Zeichen“, so die eingeborenen Informatoren von Sahagún [dieses und die folgenden Zitate aus seiner Historia general de la cosas de la Nueva España]. Wird eine zeitliche Dauer durch keinen Tonalli geprägt, ist das Leben aufgehoben: „während dieser Tage wurde nichts getan; die Paläste und Tempel waren verlassen; kein Streitfall wurde diskutiert; alle blieben bei sich zu Hause und enthielten sich des Fegens; man begnügte sich damit, den Staub auszuschütteln…“. […] „Keiner durfte tagsüber schlafen, bei Strafe des nicht mehr Aufwachens. Keiner durfte stolpern oder fallen… Von dem, der hinfiel und sich verletzte oder krank wurde, sagte man: ‚er wird nicht wieder aufstehen’, und keiner hegte Hoffnungen für ihn… Selbst seine Eltern ließen ihn dort, wo er lag, und verloren alles Interesse an ihm, denn die nemontemi waren Tage des Schreckens…“. Unselig, wer an einem dieser Tage geboren wurde: der von den Schicksalen ausgeschlossene Unglückliche, der dazu verurteilt war, keinen Namen zu tragen, konnte keinen sozialen Status erlangen: „Man floh ihn, man fürchtete ihn… Er gehörte nirgendwo dazu. Er zählte nicht. Vergeblich war er ein Mensch.“ Die nemontemi, die namenlosen Tage, wurden von den Azteken nicht einmal als Unglückstage wahrgenommen: das hätte geheißen, sie mit einem Inhalt zu füllen. Die nemontemi bringen am Ende eines Jahres ganz reell eine tote Zeit […].

Nach: Christian DUVERGER, Il fiore letale

nemontemi

[Wo das Meer stillsteht 4,13]

Park

frühlingskräfte – werfen einmal mehr
einen schwarzen zweig aus

ein walroß im sturm
gelähmt auf einer bank – bleckt die zähne

der nordpol kann immer das grün der vorstellungskraft benutzen
um ein haus zum aufbewahren der leichen zu bauen

sprechen – sieh diese freude
ein hund wird dazu verleitet, wie verrückt davonzulaufen

[Wo das Meer stillsteht 4,12] <<>> [Wo das Meer stillsteht 4,14]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

Donnerstag, 29. Dezember 2005

keine find-sterne ...

keine find-sterne
funden
den bitt-händen
die zweige des walnußbaums
vor wolken
dick nur und grau

verknickt sein
und laublos und abermals
schweigen

Mittwoch, 28. Dezember 2005

unter fädenziehende wolken ...

unter fädenziehende wolken
ziehen mich fäden
home I’d like to be
kleben an fingern
die am mund fäden ziehen
und wollen worte
die ziehen wie fäden
und doch nur prasselt
was wie fäden aussieht
von weitem
das bißchen schnee
das der wind vor sich her treibt
und gar nichts
als wind
sonst
und da ist ja auch nichts
wo ich ankomm’
nur wind

Dienstag, 27. Dezember 2005

tönerner abend ...

tönerner abend
brach jäh entzwei
und in den
scherben gelesen

die scharfen kanten
deiner sprache
das knirschen
unsichtbarer silben
unter zungensohlen

betreten : das schweigen

Montag, 26. Dezember 2005

...

Salustius, Über die Götter und die Welt - 8,2

8,2 Was die Seelen angeht, so sind einige von ihnen rational und unsterblich, andere irrational und sterblich. Erstere stammen von den primären Göttern, die anderen von den sekundären Göttern.

[Salustius 8,1] <<>> [Salustius 8,3]

Sonntag, 25. Dezember 2005

bei tisch sitzen ...

bei tisch sitzen wie
die lichterketten
die hier und dort
vor sich hin blinken
in den leeren straßen
unter einer decke aus grau

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