Donnerstag, 15. September 2005

...

45 war eh alles vorbei
no daddy back vom krieg
engelmacherin machte
mutterengel mit mutterblut
(ostarbeiterfrucht)
danach noch 41 jahr'
lehmleben hoch drei
heute sein geburtstag
liegt in den tod geboren
seit 19 jahren nun
schon so lang so lang
daddy, daddy, you bastard
sprech' jetzt von mei'm
sagt' ich "pappa" sagt' ich wohl

geboren wurde mein vater (helmut schulze sen.) am 15.9.33, er starb am 15.2.86

...

ganz in schwarz
wie die fledermäuse
denen ich heute
morgen gut' nacht
gesagt - vorm spiegel
tengo la camisa negra
porque negra
tengo el alma
und
würgest den schleim
der nacht hervor

Mittwoch, 14. September 2005

...

ein auge borgen
vom stein
dem sich nähert
der fuß
den bewegt der schritt
des vom stein
geborgten auges

(gestein(ich)t)

...

[Wo das Meer stillsteht 3,6]

Alle räume, die nicht da sind

schwingen toter tauben formen dunkle nacht
scharlachrotes fleisch in den achselhöhlen – eine sich übergebende schwangere
die tote taube : ein vom balkon purzelnder ball
alles, was nicht da ist, ist fett
ranzig – so wie der schrei einer toten taube die wand beschmutzt

in dir sterbende räume
sind selbst irrsinniger schlaf

alles geträumte ist nichts als irgendeines menschen seele
all der schnee, der zeit deines lebens halt macht
verwandelt mit seiner obhut einen jungen in eines baumes schatten
in die ecke getriebenes blut – vervielfältigt wie immer den frühling
blumen – betäubter noch auf dem papier vervielfältigt
du bist gezwungen, dich bei jeder anschrift niederzulegen, an der tote tauben nisten

zuhören, wie türen und fenster zugenagelt werden
tief in dir drinnen – die nachbarn alle hervorgegangen aus inzucht
waschen weiterhin mit tintiger galle, die ihnen gestern hochgekommen
wenn ein treppenhaus einstürzt – erklingen tanzschritte im himmel

die elendsten verlagerungen sind die verlagerungen eines hauses

verlagern sich in das, was nicht da ist – was weiße worte
haben, ist die zeit, die ausreicht, daß eine tote taube ihre eier ausbrütet
was du hast, ist die zeit von einem bett zum andern
eine dunkle nacht zu überschlafen und eine leiche zu hinterlassen
ein paar fleischige flügel – haben grad den mond unter wasser berührt
haben zeit einzuziehen in
den glanz, der den ozean beseitigt – werden endlich vorgezeigt, wenn es zu ende ist

[Wo das Meer stillsteht 3,5] <<>> [Wo das Meer stillsteht 3,7]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

Dienstag, 13. September 2005

...

mitlaute und selbstlaute
wie mitesser und selbstesser
schütteln hin und her
trommelfeld trümmerfell
kaffee kalt in karstadttasse
dunkelschlucke licht im
lauthals stimmen ritzen
fingerspitz und sonder wort'
dann über dunkle seide
kein weiter komm' ich vorbei
an dir sich dreht dir sich zu

ich

(was zu reflektieren war)

Montag, 12. September 2005

...

mit sechzig km/h hinter : einem weißen mercedes : auf der landstraße und : jedesmal gegenverkehr : auf geraden strecken :

das eine schwör' ich:
einmal auf der schnellstraße
überhol' ich den!


leider fuhr er geradeaus : als ich auf die schnellstraße einbog : blieb mir nichts : als ein haiku : übrig

...

rinnet der joghurt aus ziegenmilch
in den mund hinein - fluidum non desit
doch klebet nun zähe der honigseim
am löffelchen fest - und mischet sich nicht
weiß aus den winkeln dann tropft es
aufs annoch so frisch=frische hemd
wischet die hand den tropfen fort
unwirsch und garstig und halb noch verpennt
das ohr aber schmauset auch dieses nicht:

wachet auf, ruft uns die stimme

Sonntag, 11. September 2005

...

lontano

wo?

da hinten irgendwo

nicht mehr so nah

nah

...

acht uhr einundzwanzig
acht uhr fünundzwanzig
andere uhren und
noch andere zeiten
zeithuren
flußbett hirn
drüberhin wälzt
geschmolzene trauer
tagelanger wolkenfluch
B-regen B-rain
aber es regnet nicht
acht uhr vierunddreißig
acht uhr neunundreißig

Samstag, 10. September 2005

...

Salustius, Über die Götter und die Welt - 5,1

5,1 Dies gesagt, wird der nächste Schritt darin bestehen, die erste Ursache und die Klassen der ihr folgenden Götter kennenzulernen; um dann die Natur der Welt zu untersuchen; das Wesen der Intelligenz und der Seele; die Vorsehung, das Verhängnis und das Glück; die Tugend und das Laster sowie die guten und schlechten politischen Ordnungen, die sich daraus ergeben; und schließlich, von wo die Übel in die Welt einbrachen. Gewiß erforderte jedes dieser Themen eine Erörterung von beträchtlicher Länge, doch nichts verhindert vielleicht eine gedrängte Abhandlung, auch damit diejenigen, welche zuhören, nicht in vollkommener Dunkelheit gelassen werden.
[Salustius 4,10] <<>> [Salustius 5,2]

Freitag, 9. September 2005

...

Er trottete inmitten einer unflätigen Menge, die unterwegs war zum neuen Multispaß-Wolkenkratzer Mickey. „God is fun! God is fun!” tönte es aus den Lautprechern...

Juan ABREU: Garbageland

garbage3

...

staendig bimmelt GOD IS FUN
lautsprecher puhlen ohrenschmalz
regen draussen draengeln drinnen
"sie duerfen hier nicht sitzen"
GOD IS FUN virtualcarnal IS FUN
sin-los entbunden fluidum blurp
bahnhof IS FUN manymany thanks
geh leise geh leise geh leise

Donnerstag, 8. September 2005

...

im regen : unterm vordach : frierend
krähe : aus eiche heraus : fliegt in den regen hinaus : und in ihm : fort
regentropfen : in wasserlachen fallend : zeichnen kreise
das wort "liebeleistung" : das beim lesen : irgendwie sich stülpte : aus irgendwelchen : worten : gedanken : assoziationen : und nun oben : auf dem zettel steht : sollte es heißen : "liebelei und stunk"?
vom grauen himmel : ganz zu schweigen : und seinem : stunden währenden : rülpsen : idiotischer tag

Mittwoch, 7. September 2005

...

so viele worte zieh'n vorbei
und lösch' sie alle wieder
als wär' ein jedes schon für sich
paulinchen mit dem feuerzeug

asche streuet auf den weg
wer nicht ausrutschen will

...

[Wo das Meer stillsteht 3,5]

Körper der welt

kein zahn, der sterben kann – deine oder die des krokodils
sofern diese holzskulptur nur aufrecht sitzt
an der tür – die alte traumkraft vergeudend
traummorgen : ein dunkler korridor
offene münder – wühlen an brustkörben, um fleisch zu essen
winde umwehen riesige ohrringe aus stroh
haie mit bösen absichten klettern hinter deinem rücken auf bäume
klettern auf die bank des ozeans

kein – überfluß jenseits des wahns
sofern nur weiße kataraktmuscheln mit ausgehöhlten genitalien
immer noch in augenhöhlen sinken, die sich nicht zukneifen lassen

der schiffssirenen klang auf dem meeresgrund – wie türklingeln
auf seinen reisen wurde der fremde saubergekratzt von der koralle
auf rosa knochen – briefe sind selbstverständlich erotisch
das mädchen im geburtstagsspiegel wird in eine ecke gedrängt
bettelnd – immer wieder
dein blutleerer körper drückt auf eine winzige, in schlaf versunkene seele

unentwegtes sägen
ewigkeit – ein nicht träumendes hirn ist mehr als ein traum
die dunkle vorstellungskraft eines gesichts – wringt das hirn unter den füßen aus
falschheit – gab es nur
und unwandelbar nur im licht der lampe

zwischen einem sauren aufstoßen und dem anderen ist dein magen tausende von jahren entfernt

sitzend – ozean und bäume von grüner farbe jetzt
meißeln – den himmel im weißen frühstück der geschichte
macht dich unfähig, den täglichen hunger zu fliehen
und unfähig – diese schreckliche adresse zu erreichen
wie eine fleisch fressender fisch den du an dir selbst berührst
der den korridor entlang gekommen ist – sinnesorgane : aufgesplittert in einer rose aus holz

leben - geträumtes

[Wo das Meer stillsteht 3,4] <<>> [Wo das Meer stillsteht 3,6]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

Dienstag, 6. September 2005

...

nicht mehr blitzt das aug
wenn wie ein gott der tag beginnt
in meiner augen blindheit auf
und ich geborgen hinter fensterläden
dem tage mich verwehren muß

nein, nein, es ist september schon
und im fenster gleißt kein lichtbeginn
nur ab und zu, da beugt sich kopf
am tisch nach vorn, schaut rechts
gewahrt was gelbes stachliges
im laubwerk hinter dichtem grün

die nackten waden : prickeln schon

Montag, 5. September 2005

...

im kopf die schattenhand
bewaffnet an deinem kopf
als gedankenspiel
dürftest dann aber
auch nicht mehr leben
wie ein idiot und weiter
in die glotze schau'n
während Clint Eastwood
für gerechtigkeit sorgt
und hang 'm high

Das Erhabene existiert nur in jenem Bild, das wir uns von ihm zu machen vermögen.
Raoul SCHROTT, Tropen

Sonntag, 4. September 2005

...

alt_d01_kl

a propos projektionen:
O Fraue,
Nicht was du bist, bist du!
Das, was wir von dir träumen, das bist du!
Was in der dunklen Wehmut unseres begeisterten Blicks erschimmert, das bist du!


Peter ALTENBERG

...

jemand der im fall begriffen ist spürt die schwerkraft
nicht - das war der glücklichste gedanke eines ganzen lebens


Raoul SCHROTT, Tropen

Samstag, 3. September 2005

...

Salustius, Über die Götter und die Welt - 4,10

4,10 Für diese Auslegung spricht auch der für die Handlung angegebene Zeitpunkt, die sich am Ende der Tag- und Nachtgleiche im Frühling vollzieht, wenn der Prozeß der Zeugung aufgehoben ist und der Tag länger wird als die Nacht: ein durchaus günstiger Zeitpunkt für die Seelen, die im Wiederaufstieg begriffen sind. Genau ans Ende der entgegengesetzten Tag- und Nachtgleiche setzt der Mythos den Raub der Kore, das heißt den Abstieg der Seelen.
Mögen die Götter selbst und die Seelen derer, welche die Mythen aufgeschrieben, uns – die wir darüber sprachen – wohlgesinnt sein.
[Salustius 4,9] <<>> [Salustius 5,1]

...

augen:klingen:nach
ihre schritte
fort:schreitend

durch die nacht
schießt mich
mein geist:der:zug

12.11.2003 - im zug rom-orte

Freitag, 2. September 2005

...

A: will:nacht:haus:geh'n.
B: magst:nie:mehr?
A: wollt:ich:ja:hörst.
B: magst:an:dann?
A: kaum:lich:kaum.
B: gesten:du:al:so?
A: ja:geh':drum:ich.
B: bei:leib:be:leib:ert:auch.
A: seel:allein:du:tot
B: stümpt

...

kund tat sich bittermund
wund sucht' ich mütterschlund
wand mir gewitterrand
kannt' nicht ihr flitterband
rennt mich in schnitterhänd'
fänd' lieber zitter-end'
find' doch nur schütterwind
kind sich als ritter spinnt
sonnt sich im splitterblond
konnt's ohne zwitterfront

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