Donnerstag, 27. Oktober 2005

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verantwortung und haftung verliefen sich im wald. soweit sie auch laufen mochten, der wald nahm kein ende. schließlich ward es schon dämmrig. da sagte die verantwortung zur haftung: "wenn's dunkel wird, hafte ich nicht mehr für den richtigen weg." da anwortete die haftung: "aber du bist verantwortlich für den falschen weg, den wir heute gelaufen sind." die verantwortung machte es sich indes unter einer eiche bequem, denn sie waren schon den ganzen tag unterwegs. da ward es auch schon dunkel. die verantwortung war schon leicht weggedöst, aber haftung saß immer noch mit weitaufgerissenen augen da und dachte an das Blair Witch Project. Bis er rechts zwischen den Bäumen ein Licht bemerkte. Sogleich rempelte er die Verantwortung an und wies sie auf die Erscheinung hin. Sie beschlossen dorthin zu gehen, ob es dort nicht eine gute seele gebe, die ihnen etwas zu futtern und eine bettstatt anbieten könnte. als sie sich nah genug herangeschlichen hatten, bemerkten sie, daß das haus ganz mit lebkuchen behaftet war, deren duft es sich in ihren nasenlöchern bequem machte und die für die eßlust verantwortlichen stellen des hirns anregten. da stürzten sie sich auf das haus und fraßen es auf. keine hexe erschien, und auch gab es keine obdach mehr für sie, dafür hatte das haus eine obdach in ihren verantwortungslosen mägen gefunden.

(20.6.2000)

Mittwoch, 26. Oktober 2005

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noch morgenkühl den tag umdunsten
und beschämen
nebelschemen
gestaltlos nur regt sich natur in
angenehmen
zwitscherthemen

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paradingsbums

käfige IV

einen käfig kann man an die frische luft bzw. unter den freien (!) himmel stellen bzw. hängen – da freut man sich – da sieht man was – und wird auch noch gesehen – und versucht mit tennisaugen – den panther aus den zwar nicht hin- und hergehenden vorübergehenden doch immerhin vorbeigehenden vorübergehenden in sich hineinzuprojizieren und gleichsam nachzuahmen – doch bleibt der tennisball auf der mattscheibe – die den stirnen vorgenagelt – als bretter – die die welt bedeuten

Dienstag, 25. Oktober 2005

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[Wo das Meer stillsteht 4,4]

Vogelbuch

im theater der dunkelheit – sind wir
größer und blasser – als diese vögel
unsere gedärme nach außen gekehrt

ein buch, das sich selbst verabscheut
ein paar flügel klingen wie papier
eine den flug steuernde hand wird knochen, wenn das licht sie erreicht

vom himmel erreicht – installiert in den tiefen grüner blätter
die lesestühle düsterer sterne schauen darauf
die toten nehmen platz – lauschen respektvoll den worten, die den tod erhellen

brutal ans rückgrat genagelt – ohrensausen schrieb die wörter immer weiter
der grabsteinwind prallt gegen die schwarzgefrorenen birnen an den ästen
ein buch trägt das ziel, das die see in blindheit versenken wird

wütende vögel – erschöpft
machen leben zu einem drehbuch – jene, die genug gelebt haben
kehren das innere nach außen – suchen das von ihnen verschlungene gold

aber die axt wählt nicht eine beliebige seite
nachdem die federn einer jeden seite ausgerupft sind – verletzt sie den ganzen himmel
wenn wir aufhören zu klatschen – fallen wir in – stücke geschlagen

[Wo das Meer stillsteht 4,3] <<>> [Wo das Meer stillsteht 4,5]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

Montag, 24. Oktober 2005

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kaefige3a

käfige III

ja, ich würde mir ein großes Gewissen daraus machen, wenn ich glaubte, nicht verzaubert zu sein, und es geschehen ließe, daß ich müßig und feig in diesem Käfig sitze und so viele bedrängte und in Nöten befangene Leute um die Hilfe betröge, so ich selbigen gewähren könnte, welche gerade zu dieser Zeit und Stunde ohne Zweifel meines Beistandes und Schirmes aufs dringendste und aufs äußerste bedürfen

CERVANTES, Don Quijote, 49. Kap.

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durch die tür der veranda
unter den schwarzen himmel
und spinnweben knistern durchs haar
die sterne spiegelverkehrtes bild
lauer sommerabende
schneckenschrift auf beschlagenem glas
erste zigarette

Sonntag, 23. Oktober 2005

...

alle türen offen
in deine augen
aus deinem mund
verschlossen mir
nur die schritte
ihr herein und hinaus

Samstag, 22. Oktober 2005

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kaefige2

käfige II

knabbert an meim häuschen wer mir da
himmlisch kind und knäuschen du wind

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Salustius, Über die Götter und die Welt - 6,4

6,4 Geheime Anspielungen auf diese Funktionen schimmern durch den Schleier der Kultbilder hindurch: so ist Apollo dabei, seine Lyra zu stimmen, Athene ist gewappnet und Aphrodite nackt, da die Harmonie Schönheit hervorbringt, und die verbirgt sich nicht hinter sichtbaren Dingen.
Da dies die Identität dessen ist, der ursprünglich das Universum trägt, muß man glauben, daß die anderen Götter sind in diesen: wie Dionysos in Zeus, Asklepius in Apollo, und die Grazien in Aphrodite

[Salustius 6,3] <<>> [Salustius 6,5]

Freitag, 21. Oktober 2005

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kaefige1

käfige I

Donnerstag, 20. Oktober 2005

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schnuppmhab
schippngram
schnappnschon
schupsnrein
schippnzu
schnuppmweg

Mittwoch, 19. Oktober 2005

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an der koromandel-küste stehen
die augen mit der hand abgeschirmt
aufs meer hinausschauen
und sich fragen:
„wie bin ich eigentlich
hierher gekommen?“

„Maabar“ ruft’s dann
von ferne aus dem Milione
... und jenseits des fensters
herbstlarven im halbdunkel

...

Und endlich stirbt die Sehnsucht doch,
wie Blüten sterben im Kellerloch,
die täglich auf ein bißchen Sonne warten.
Wie Tiere sterben, die man lieblos hält.
Und alles Unbetreute in der Welt.


Peter ALTENBERG

Dienstag, 18. Oktober 2005

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Die Top100 Literatur-Seiten im Netz

dank an itaipu

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mondlicht- und schatten
die langsam versiegen
ein letztes kräuseln
der bodenwellen
ein grauer moment noch
und aurora beiseite reißend
wirft sonne dir tag
ins gesicht

Montag, 17. Oktober 2005

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[Wo das Meer stillsteht 4,3]

Lotrecht zum papier

lotrecht zum papier ergreifst du
einen hauch morgendunst – ein ruhiger baum auf dem friedhof
der himmel erwacht im schlafzimmer
mädchen widersetzen sich – dem zügellosen stiel aus licht
eine kleine tag=walnuß hat den nachweis des gehirns eingeäschert
vier jahreszeiten – alkohol erhält den kopfschmerz
hält die gabel fest am schimmernden eßtisch des ozeans
die welt füttert ihren mund mit ihren eig’nen augen

ein gedicht, das niemals endet
lotrecht zum papier – just geschrieben von einem grabstein
überflutet vom strom des fußbodens
blut – eingehämmert in eine leiter aus gefrorenen füßen
zieht in die drängende menge, die die verwesung aufkauft
wieder hält ein morgen die gefühlskälte der uhr aufrecht
eine lotrecht zusammenkrachende straße – sagt
dies sei noch nicht das letzte mal – du seist noch nicht gefallen aufs papier

[Wo das Meer stillsteht 4,2] <<>> [Wo das Meer stillsteht 4,4]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

Sonntag, 16. Oktober 2005

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Say what you mean
     A poem is a lark
     A pie

Jack KEROUAC, Il libro dei blues

willst du schon gehn? wenn du es willst!
laß sie mich töten! noch plaudern wir!
nur eile rettet mich, der frühe wolken säumt
nicht diese dort von auf, es ist, es tagt
sei süß die unsre ja die stimme nicht
des morgens aug’ zum sein zu leuchten
die sonne, die nacht, nicht philomele
im ost des morgens des himmels wölbung
hell und heller die uns armen aus armen
hell? dunkler stets und falsche weisen
gurgelnd müssen gehen hauchend hoch
der schlag uns trifft und reißt uns heiser
ausgebrannt der kerzen talg tagt tag

(vgl. SHAKESPEARE, Romeo und Julia - III, 5)

...

debatten um die rolle des abschieds in unserem haus gab es in der geschichte häufig : meist ging es dabei nicht nur um rein gestikulatorische probleme : die auseinandersetzungen berührten vielmehr grundsätzliche fragen der handordnung und der ethischen bewertung von vermeintlich absichtlicher gesten : deshalb wurden sie oft sehr emotional geführt : das mag außerdem daran liegen : das der bereich der absichten vielen menschen aufgrund seiner abstraktheit fremd und bedrohlich erscheint : und handgreiflicher besitz häufig mit macht und einfluß assoziiert wird : vor diesem hintergrund ist es verständlich : daß der energische und bisher ungebremste eintritt : internationaler absichten in die heimischen gefilde zu heftigen diskussionen geführt hat

Samstag, 15. Oktober 2005

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auf dem feld betreten krähen
den abendschatten des hauses
in den dein gesicht gebettet ist
das erst im zimmer gegenüber
zu der schlafenden sich formt
die sich hinüberträumt in den
abendkelch des mondes, der mich
ausgeträumt aus schlafender form
im vis-à-vis des gegenüber
von dem aus das bett ich gesichtet
hausend im abend des schattens
das feld - licht- nun und krähenlos

Freitag, 14. Oktober 2005

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hin und her wendet
immer neu durchkluftet
was mal gebiß sein wird
den weißen klumpen
kaugummi im rhythmus
der pulsenden nerven

nagt nicht auch das gewissen
das selbst zur prothese wird
wenn alles schlechte dann
doch noch begangen sein wird
heftig am weißen klumpen
des mondes, stets kleiner
oder größer als tags zuvor?
als wolle er nie gleich sich
selbst und andern scheinen

wohin führt uns des Claudius' abendlied aber dann? wenn nicht in die verklärung der in der melodei erst beheimateten heimat : wenn die zähre von der linden tropft : und kein schöner land sich nirgend noch benebelt : der weiße nebel : gold´ne sternlein auf den wangen : aber cucurucucu paloma pfeifen : heimat : schrieb pavese sinngemäß : ist ein mythos : der proportional entgegengesetzt zur zeitlichen ferne einer kindheit : blüht : was aber blüht : das welkt : schon der begriff zuhause : läßt die zähne das kaugummi noch schneller rotieren : das kaugummi : das sich ständig wandelnde : aber ist zuhause zwischen den zähnen : (schunkelnd : und der haifisch : der hat zähne)

7 §. Anderweitige Deutung. Einige deuten ihn [i.e. Proteus] auf die Materie der Dinge, als die sich so oft verändert, als Arten der Thiere, Gewächse und anderer Creaturen sind. Baco Verulam. Sap. Vet. c. 13. Eidothea, welche den Rath giebt, ihren Vater zu binden, soll die göttliche Vorsehung seyn, welche der Materie vorschreibt, was aus ihr werden soll. Heraclid. Alleg. Homer. p. 488. Calcagnin versteht durch ihn die Wahrheit, welche im Verborgenen liegt und schwerlich ergriffen wird; Melanchthon aber das Verständniß. Ap. Taubmann. ad Virgil. Georg. IV. v. 387. Andere deuten ihn auf die Kraft der Luft; Nat. Com. l. VIII. c. 8. oder auf einen klugen Mann; auf die Natur selbst; auf die Mannichfaltigkeit der Kleidung, deren sich Proteus Landsleute bedienet. Daher saget denn Taubmann l. c. von ihm nicht unrecht: daß die Gelehrten so viele Auslegungen dieser Dichtung angenommen, als Proteus selbst Gestalten.
Benjamin HEDERICH, Gründliches mythologisches Lexikon

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Salustius, Über die Götter und die Welt - 6,3

6,3 Die Götter, welche die Welt machen, sind Zeus, Poseidon und Hephaistos; es beseelen sie Demetra, Hera und Artemis; Apollo, Aphrodite und Hermes bringen sie in Einklang, während Hestia, Athene und Ares über sie wachen.

[Salustius 6,2] <<>> [Salustius 6,4]

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