Donnerstag, 4. August 2005

...

auf dem bahnsteig
departure platform humlet
und zum abschied malte
mein zeigefinger
ein lächeln
unter ihren nabel

Mittwoch, 3. August 2005

...

das meer, wenn es nicht
rauschte, wie stumm wäre es
grad wie die fische:

an schallschwellen
wohnen
mit offenen ohren

...

alles andere als
"le grillon se tait
l'air encore frissonne - étang
sonore - dans la tête"
wenn der hörer aufgelegt
und man selber
zum frosch wird
von dem Bashos haiku
nur die wellen
beschreibt

Dienstag, 2. August 2005

...

testaccio : stadtviertel zwischen monte coccio : dem scherbenberg schlechthin : aufgehäuft von den alten römern : aus tonscherben : und tiber : geradlinige straßen : an die das alte schlachthaus grenzte : also aß man dort entsprechend : in der mitte der platz mit den gärten : etwas bewölkt : etwas wind : noch kein schwitzen : über die trinkwasserfontäne beugen : und das loch unten mit dem finger zuhalten : dann spritzt einem das wasser aus dem oberen loch in den mund : ihr rotes haar schon : ihr opernhafter gang : sie ist überhaupt eine oper : und begeben uns zu unserer aufführung : in eine kaschemme : in der normalerweise möbelpacker : rentner : handwerker aus benachbarten werkstätten : sich ihre brote belegen lassen : und zu bier oder wein : verzehren : sitzen bleiben : weitersprechen : prahlen : erzählen : was ihnen ungeheuerliches passiert ist : überzeugen wollen : daß nur ihre vorgehensweise funktioniert : sie thunfisch und tomaten : ich mortadella und provolone : das sprechen fast ein recitativo zuweilen : sie improvisiert kleine arien : ich tu nur so und brumme ab und zu : verabredung für übermorgen : dann aber "ciliegiolo di narni" (denominazione di origine controllata) : der hat einen körper wie du : und alles ich plötzlich dupliziert : alles du vertripelt : ver-true-pelt : hinaufgestemmt durch erinnerungs-säulen : nicht die tristen : die andern : die es wert waren : und so im sein : sich wieder kleine juwelen : er-leben : und nicht milchzähne von jungfrauen sammeln : daraus dem kaiser seine jubelzahl zu kombinieren : und als präsent zu überreichen : es sei denn : man wolle es allegorisch verstehen : und den pluralis majestatis : im "wir sind" : anrufen : und die jungfräulichen milchzähne : dito verstehen : daß sie nämlich nichts sind : als keimendes : auf gefilden im plural

Montag, 1. August 2005

...

img032
Er: geh schau: wie ich da einen handstand mach!
Ich: ah, so schaust heut aus: muß ein hologramm aus deiner jugend sein.
Er: (sichtlich irritiert) habest du mir etwa ein alter zugetraut?
Ich: ein alter zutrauen? meist schätzt man das ab...
Er: (jetzt bös guckend) ich dürfte wohl schon des öfteren betont haben, ich sei weder wesenhaft noch altersmäßig zu fixieren.
Ich: jo, stimmt. wiewohl du sehr altklug zuweilen daher redest.
Er: alter schützt vor jugend nicht, und jugend nicht vor weisheit.
Ich: weisheit des brahmanen.
Er: ruckedigu.
Ich: hübsche sätze stehen ja drin, aber es kommt doch etwas didaktisch daher. man glaubt nicht, es seien wirklich erkenntnisse.
Er: allein, auf ihn einzulassen lohnte der mühe.
Ich: auf den kinderschreck der römischen campagna mit seinen langen haaren.
Er: verrückert halt.
Ich: wo ich das gelesen, das liegt immer noch in niedersachsen.
Er: tja, home is where my books are, wie du mal sagtest.
Ich: and we are all going homers.
Er: na, den "liebesfrühling" hast du immerhin hier stehen.
Ich: und "amaryllis".
Er: nun weißt du wieder, worin du blättern kannst in mußestunden, falls nicht grad wieder risotto ansteht!
Ich: keinen durst heut?
Er: nicht wirklich, aber was drinkmäßiges wär mir schon recht... entschuldigung: scho recht.
Ich: scho... also whiskey?
Er: scho recht.
viel sagten wir nicht mehr. nickten uns zu, wenn eine sternschnuppe aus der milchstraße herausfiel, seufzten ab und an wohlig à la "ach ja, du weißt schon"...

bild aus: HERZMANOVSKY-ORLANDO, Der Gaulschreck im Rosennetz (im netz das faksimile der ausgabe 1928 mit den zeichnungen: http://www.literature.at/webinterface/library/ALO-BOOK_V01?objid=12084

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eine links-herum-rührung
oder
eine rechts-herum-rührung
ändert nichts daran
daß es sich
um ein rührstück handelt
in das hinein sätze
verrührt werden
die eher nach
pantomimik heischen
denn nach wieder-worten

Sonntag, 31. Juli 2005

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als wir telefonierten
(als wir telefonierten
(als wir telefonierten
(als wir telefonierten
(als wir telefonierten
(als wir telefonierten)))))

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[Wo das Meer stillsteht 3,3]

Museumsfenster mit den eingravierten namen verschiedener ozeane

kein ozean wie dieser absolute stillstand
worte – gelähmt an fenstern
du liest einen anderen sturm
tief eingraviert in die steinmauer
die einzige zeit, die das museum sammelt, ist zerbrechlich wie glas
du stehst hier – bist jahrelang gesegelt von meer zu meer
du siehst – wieder und wieder vom himmel überschwemmte bäume
grün – stille drohung
laß den namen eines meeres all seine toten befehligen
niemand vermag ein unbenanntes meer zu erreichen
laß einen lebendigen schädel seine gedanken dem frühling bloßlegen
die erklärung des grabsteins scheint vollkommen klar

an einem anderen ufer wurdest du nackt ausgezogen
das meer stürzt ringsum herab – all die fleischig-, fleischfressenden blätter
karten – haie wandern durch die sammlung
überall unter wasser blasse zähne, die lebendige seelen ankratzen
wassertropfen mit bedingungslosem hunger und durst
ist es völlig beraubt – wird ein phantasieklavier zerschlagen
das schauen so durchsichtig – endet in einem auge
die lügenstimme des glases – läßt ohren nur noch mehr aufgellen
was du berührst, sind nichts als die wellen deiner fingerabdrücke
von dem selben wahnsinn erdrosselt auf der anderes seite des fensters

der blaßgelbe schädel des mondes – läßt zeit ihr messer schärfen
auf dem antlitz des museums graviert mondlicht, was es lang schon zerstört
die schweren baumwipfel eines jeden ozeans
benutzen dich, um wurzeln zu schlagen – damit der frühling im abfließen dir zufließt
der tod ein samen, so viel grüner als du
in gleichbleibender zeit – litten fußabdrücke auf dem meer seit eh und je
keiner weiß, welcher name dazu führte, daß das begräbnis unendlich währt
ein für immer geschlossenes fenster
hält den ozean außerhalb der flasche – was überläuft, ist licht
der sturm kondensiert deinen körper nach dem tod zu phosphoreszenz
ganz und gar – ausgelöscht, bevor du zurückkehrst

[Wo das Meer stillsteht 3,2] <<>> [Wo das Meer stillsteht 3,4]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

...

Literatur ist der Versuch, mit einem Schmerz zu sprechen.
Wilhelm GENAZINO, Der gedehnte Blick

und findet ihren (seinen) ausdruck : im daumen : der die als aschenbecher benutzte untertasse : (am morgen kippenüberbordend) : unter dem wasserhahn : zärtlich blank reibt von allen aschenresten : so steht die untertasse : dann wieder ein weilchen : makellos auf dem schreibtisch : und ein weilchen : reicht der respekt : vor der makellosigkeit : sogar dafür : eben mal nicht eine zigarette anzustecken : doch der schmerz : macht sich wieder bemerkbar : der stumme mund : braucht berührung : sei's die kaffeetasse : sei's die zigarette : von fingernägeln selbst halte ich persönlich nichts : aber möglich auch : daß die zunge selbst : sich über den mund fährt : auf der suche nach dem schmerz : nein es tut nicht weh

In den belebtesten Straßen Wiens findet man kleine billige Läden, über deren Eingang steht groß und breit das Wort ROMANE.
ebd.


und die hände selbst : suchen nach gegenständen : damit sie diesen schmerz : auf sie übertragen können : oder sie befragen : nach dem wesen dieses schmerzes : und doch vollzieht sich : das weh : im kopf : der in allem unserem tun : nach analogien sucht : denn der schmerz ist wortlos : also braucht er abbilder : und die drei vier mücken auf der gardine : sind nur ein ärgernis : aber kein schmerz : der materialisiert sich eher im sonnenstrahl : in dem sich der rauch schlingernd ergeht

In diesem Sinn erlaubt uns der Ort der Handlung stets auch etwas Unerhörtes: die momentweise Besichtigung des Unaussprechlichen.
ebd.


beliebigkeit der schmerzen : alles was du mir nennst, das fehlet mir : (Jean Paul) : namenlosigkeit : benennungsunfähigkeit : sich selbst auch fehlen : plötzlich : unvermittelt : wie gestern abend : erschöpft von musikalischen turnübungen : verschwitzt : die haare klatschnaß : als hätte ich mich aus mir herausgeschwitzt : war ich plötzlich nicht mehr da : oder ich hatte mich so intensiv : in mein spiegelbild hineinprojiziert : daß ich plötzlich leer im raum stand : lange konnte ich diesen schmerz nicht genießen : ich schlief bald ein

Den Göttern gleich ich nicht! zu tief ist es gefühlt!
Faust I, Nacht

...

Woran erkennt man die Bedeutung eines Menschen für das eigene Leben? Auch daran, daß man sich später, im Zu-Späten, immer wieder wünscht, noch einmal mit ihm reden zu können. Ich würde es gern tun, um ihm Respekt und Liebe zu bezeigen - und um ihm zu widersprechen.

Hans WOLLSCHLÄGER zu Adorno in "Moments musicaux. Tage mit TWA"

Samstag, 30. Juli 2005

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wolkenmeEr milchIch vErrührt : windIch Erselbst : tröpflIch wassEr : auch regen genannt : ein neger mit gazelle zagt im regen nie : dreh's : wie du willst : es ist alles eins *)
Er: madam, I'm adam!
Ich: name no one man.
Er: sei fred, osiris oder fies!
Ich: stranger you are, and I ask you: Wen liebst du am meisten, rätselhafter Mann, o sag? Deinen Vater, deine Mutter, deine Schwester oder deinen Bruder?
Er: ErIch! aber: Ich habe nicht Vater, nicht Mutter, nicht Schwester, nicht Bruder.
Ich: erst ich, das ist IchEr! Deine Freunde?
Er: so genesen egos! Du nennst da ein Wort, deß Sinn bis auf den heutigen Tag mir unbekannt geblieben.
Ich: nie prunk, nur pein? Dein Vaterland?
Er: ai lati d'Italia. scherz beiseite: Wer weiß denn, unter welchem Himmelsstrich es liegen mag!
Ich: Sole medere, pede ede, perede melos. Heile mit der Sonne, mach dir durch Wandern Appetit und veröffentliche dann deine Werke. Ausonius. Die Schönheit?
Er: ecco bello colle bocce. Wie gern doch liebte ich sie, die unsterbliche göttin -!
Ich: grauzonen, o zu arg! Das Gold?
Er: in nagold legen hähne geld - log anni. Ich hasse es, so wie du gott hassest.
Ich: s'nutzt uns. Und was dann, seltsamer Fremdling, was dann liebst du?
Er: E Roma nemo te dividet omen amore. Ich liebe die Wolken... die eilenden Wolken... dort draußen... die wunderbaren Wolken!
Ich: danke, herr baude!
Er: bittschön, herr laire!
Ich: nicht doch lieber humlet und hamlet?
Er: oder noch ein Es dazu?
Ich: nein, das ist EssIch! Es redet sehr verschlungen, weil Es verschlingt.
Er: was denn?
Ich: alles, was Ihm in die quere kommt.
Er: war aber noch nicht da bei dir, oder?
Ich: hähä.
Er: was heißt: hähä?
Ich reichte ihm eine flasche bockbier.
Ich: na! freibier-fan!
Er: geist=bier treibt sieg. original-palindrom! von mir!
Ich: ich dachte immer, bier triebe die blase an... na prost.

*) sehr lange liste mit palindromen: http://www.stefanmiller.de/palindrom.html , darunter dieses finnische:
Nai pesukoneessa, laukusta taas saatana tuli Hanna. OK, Kim. Aarre höylien alla. Aaha, salit trukilla pannaan nimien alle. Hitto! Etova alku, sata lusikan osaa taitaa vitusti palaa. Murha on ruotsiksi "mord". Nila puuttuu, Jallu nisua voi Palestiinasta vetää. Pyy meni amatsonin apajille, marakatilla halu. Anteeksi. Isorikas sinua hujauttaa. Teloi Esko paidat. Tero, pora vajassa. Kuhisi au pair -rahoja, sinä jostakin nostit niitä. Mono uhalla kalisi. Lekaasi nosto ei vie. Oi! Taas ne sadalta saavat napit. Taputti vaskoolia hapan Iivana. Tuuri ruusua valitsi, Ismo oria kesytti. Hyypiö läksiä halusi. Kojootin rasisti jalalla litisti. Apatiasi opettaja taisi yhä sietää. Köysi laittoi Masin omat lavat alas. Etsipä tämä kiero naikkonen. öylätti säkissä. Pärepytyt ystäville, heh, oli tulleet. Illan otti homma kamala. Hapan olo. Allah, ipana kosi, no, iho. Ohi on, iso kana pihalla. Olona paha lamakammo. Hitto, nalli. Te, Ellut: ilo, he hellivät! Syty, typerä pässi! Käsittä lyö ne, nokkia, no! Reikä mätä, piste. Salata valta, moni Sami otti ali. Syökää te isä! Hy i, siat! Ajatte pois aita, paitsi tilalla lajit. Sisar nitoo. Joki sula. Häiskä löi. Pyyhitty. Se kai "room", siis tila. Vau, suuri ruutana! Viina paha ilo. Oksa, vittu. Patti pantava. Asat. Lada sensaatio! Ei, vie otsoni, saakeli. Silakalla huono mäti. Intit, sonni. Katso, jänis. Ajo, Harri! Apua! Isi hukassa! Ja varo poretta. Dia. Poks! Ei ole taattua: Juha unissa kirosi. Iske et, naula hallita. Karamelli Japanin. Osta maine, myy pääte. Vatsani itse lapio. Vau, sinulla juuttuu palindromi "Ski's tour". No, ah, rumaa. Lapit Suti vaatia. Taas on. Aki, sulata suklaa. Vote otti hellan. Ei, Minna, anna palli, Kurttila sahaa. Allan ei lyö herraa. Mikko, anna hilut. Ana, taas saatat sukua. Lasse-eno, kuse pian.

anmerkung zum kursiven im dialog: es handelt sich um "Der Fremdling" von Baudelaire ("Kleine Dichtungen in Prosa"), dt. von Max Bruns. daran erinnert hat mich Hydra (= T.) in meinem ital. weblog: http://terzariva.blog.tiscali.it/ap2112357/

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Salustius, Über die Götter und die Welt - 4,8

4,8 Und es heißt – möge es sich denn verlohnen, einen weiteren Mythos zu erzählen –, die Mutter der Götter sei in Leidenschaft für den Attis entbrannt, wie er da am Ufer des Flusses Gallos lag. Sie nahm daraufhin die mit Sternen bestickte Kappe, legte sie ihm ums Haupt und behielt ihn hinfort bei sich. Jener aber verliebt sich in die Nymphe, und damit er mit ihr zusammensein kann, verläßt er die Mutter der Götter. Die jedoch läßt den Attis von Sinnen kommen, der sich das Geschlecht abbeißt und es der Nymphe zusendet, um hernach wieder bei der Mutter der Götter zu leben.
Hier ist die Mutter der Götter die lebenerzeugende Göttin, und deshalb wird sie Mutter genannt; während Attis der Schöpfer der vorübergehenden Dinge ist, und deshalb heißt es, sie sei ihm am Flusse Gallos begegnet. Gallos nämlich spielt auf Galaxie an, das ist die Milchstraße, von welcher der den Leidenschaften unterliegende Körper stammt. Nachdem die primären Götter die sekundären vollendet, verliebt sich die Mutter der Götter in diesen und verleiht ihm himmlische Kräfte (denn dieses ist der verborgene Sinn der Kappe).
Attis seinerseits verliebt sich jedoch in die Nymphe. Nun stehen die Nymphen der Zeugung vor, denn alles, was gezeugt wird, das fließt: und da es notwendig war, daß die Zeugung innehielt, und nichts niedrigeres als das entstehe, was das Letzte ist, wirft der Demiurg, der diese Dinge hervorgebracht, die Zeugung wieder zurück in die zeugenden Kräfte und verbindet sich erneut mit den Göttern. Und diese Dinge haben sich nie zugetragen, sind jedoch immer: die Intelligenz sieht sie im Nu alle beisammen, das Wort durchläuft sie und legt sie der Reihe nach dar.
[Salustius 4,7] <<>> [Salustius 4,9]

Freitag, 29. Juli 2005

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"blechern" : dieses plötzlich sich präsentierende wort muß ein nachhall sein : akustisch : bis spät gestern noch der trecker mit seinen ketten : visuell : er, der trecker steht schweigend am rand des feldes : jetzt : heute morgen : er wird weiterscheppern : irgendwann : noch strotzt ein breiter streifen stoppeln : der dunklen aufgeworfenen erde
[über die nachhaltigkeit seltener geräusche - und gewundert habe ich mich kürzlich über den unaufhörlichen straßenlärm, als ich mal in der stadt übernachtete]

Donnerstag, 28. Juli 2005

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adrian

Adrian v. Ribbentrop: Neige-ICC

Mittwoch, 27. Juli 2005

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stoppeln versinken
unter braune erde
hinterm traktor
monotones knattern
dazwischen helleres
sologeschepper

der enkel hat eine
neue rote vespa

Dienstag, 26. Juli 2005

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[Wo das Meer stillsteht 3,2]

Meer toter lämmer

dein fleischsarg längst schon zugenagelt
unter nasser lammwolle – fleisch des meeres
öffnet ein ranziges buch
läßt es eine nackte, in felle gewickelte frau beim feuer lesen
wenn schnee eine herde lämmer verschlingt, ist er taub
in scharlachroter lunge ersticktes klagen
fische sterben in vollkommener weiße unter zerbrochenem glas
schafsaugen – endlich leer genug, um dies wintermeer zu erkennen
blut gefriert – erkennt die umgedrehten hälse
jemand wird langsam durchsichtig, während er in den sturm starrt

dann ist aller schmerz erfroren
ein katzengleicher körper, die knochen entfernt
so weich, daß der beißende schnee den abdruck seiner zähne hinterläßt
so wie eure mit schlamm zugestopften köpfe – verlassene lastwagen häufen
schrecken – in den gefrorenen boden gerammt – preßt hitze aus
grauschwarzes meerwasser wie ein nach dem tod gesaugter tropfen milch

frühling hat dich ausverkauft – er ist lange schon fort
sommersamenflüssigkeit schwitzte schon immer
doch embryos stecken die nase hervor aus gebärmuttergelee
riechen vier hufe sich in bittere kälte stürzen
stürzen in den schnee – organe, tot schon vor der zeit, wachsen endlich schmerzlos
das helle fleisch des todes brütet weite schatten
zu tausenden fallen schäferhunde das fenster an – bellen wie verrückt
schauen dich vom meer aus an – deine rache verweilt den ganzen winter hindurch

[Wo das Meer stillsteht 3,1] <<>> [Wo das Meer stillsteht 3,3]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

Montag, 25. Juli 2005

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etwas riecht faulig, wie stehengebliebener Schlaf

Wilhelm GENAZINO

Sonntag, 24. Juli 2005

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lazy sunday afternoon : and a smile to myself : un meriggiare : nicht grad : assorto : pallido : auch nicht : eher rot im gesicht : small : auch nicht : the faces : all : die ich habe : auf fotos : vorm inneren auge : alles innere sei an sich dunkel : bloch : um sich zu sehen : und gar was um es [das bin] sei : müsse es aus sich heraus : bloch : so entwickelt sich sprechen : aus einem innen : in ein außen : und viceversa : a mayhap : is a good place to dwell : wir brauchen uns des : nicht zu veranworten : und so mag wohl auch die etruskische siedlung : auf dem ausläufer : oder auf dem ausläufer gelegen haben : was bleibt : sind die nekropolen : aber dort hausen die toten : wie in den worten selbst : dem denken ein bleibendes grab : errichtet wird : das denken selbst aber : in hinfälligen hütten aus holz und stroh : hauset : sofern es nicht schweift : ohn' alle behausung : sich treiben lassen : in trunkenen booten

...

AN DEN MOND

O huldreicher Mond, ich denk’ daran zurück,
wie ich vor Jahresfrist auf diesen Hügel stieg,
dich zu betrachten – im Herzen beklommen:
Du hingst damals über jenen Wäldern dort,
wie du jetzt in deinen hellen Schein sie tauchst.
Doch getrübt schien mir und zitternd in Tränen,
die in die Augen mir traten, dein Antlitz
dem Blick, darüber, wie so mühselig
mein Leben war: und ist, noch auch sich ändert,
o mir so teurer Mond. Und dennoch hilft es,
mich zu erinnern, zu messen die Dauer
meiner Schmerzen. O wie willkommen ist dann
in der Jugend, wenn lang’ noch währet Hoffnungs=
Schimmer und kurz nur reicht Gedächtnis=Lauf,
sich zu erinnern an das, was vergangen,
ob es schon traurig und der Kummer stets währt!

Giacomo LEOPARDI, Alla Luna (dt. von mir)

Samstag, 23. Juli 2005

...

die frau, die in deinen armen älter wird, du aber bleibst jung, weil immer noch blauäugig unsterblich – traum der kindheit: die vor dir älter werdende frau: möglich, daß es mit einem aufenthalt bei meiner großmutter zu tun hat, an den ich mich nicht erinnern kann: meine mutter verließ mich: so muß das gewesen sein – dieser ganze gedanke ausgelöst von der idee „zeitsprünge“ (irgendwie muß ich ihm ja erklären, daß ich die anderswelt-bücher noch nicht gelesen habe): daraufhin das bild aus einem alten defa-film: er, der unsterbliche hans albers (?) mit älter werdenden frauen: ein ständiges welken der frauen – und gleich danach auch die eine szene aus kubricks „shining“: wie der junge nackte körper in der umarmung sich in etwas hinfälliges verwandelt: hexenmäßiges grinsen und lachen

rubrik: assoziationsblaster

...

ob alles in ordnung sei
fragte mich die seltene nachbarin
statt "nein" zu sagen
fragte ich nur: "sommerfrische?"
"nein", sagte sie, sie führen
heute abend schon wieder fort
"grüßen sie ihre frau"

Freitag, 22. Juli 2005

...

dritter ritt durchs alfabet:

alle beisammen - charmegeber, disinhibitionspflaster, enthemmer, forgetmenots - generierten hosenlastige inkarnationen, jagende kardiosynkopen, legasthenische murmeleien, nachhaltig opake paroxysmen, quengeliges rufen, subkutane to-bee-or-not-to-bees... und vielleicht war xenophiles ypsilon zugegen

...

(Otto NEBELs "Runen-Fuge" Unfeig, unter benutzung der buchstaben U E I N F G T R Z)

FIRN-RUF

UNFEIG, ein Freier zeigt eine Fuge in Runen.
Ein Tuniegut erzeugt nie Fugen; er eifert gegen Ur-Zeugungen.
Feige nennen Fugen: "Unfug".
Feige irren.
UNFEIG nennt eine Fuge: FUG.
Fugengegner rufen irr: "Rettet eure Uffizien innen!
UNFEIG ruiniert eure Uffizien innen!!
(Gegner regen nie einen Freien uff. Gegner zerzerren nur zu gerne.
Gegner retten nur Getue. Tintenfritzen triefen gerne).

[...]

buchstaben-gerammel, weil form sein will, weil undiszipliniertes schreiben form braucht, um berechtigung vor dem schreibenden zu erlangen.

...

Er: bll lblll bll bl ll'lb.
Ich: bll!
Er: fnd ch ch.
Ich: fst schn n lllb.
Er: ndd.

Er: belle libellule e bolle blu all'alba *)
Ich: bello!
Er: find ich auch.
Ich: fast schon ein lullaby.
Er: indeed.

*) schöne libellen und blaue blubber im morgengrauen **)

**) schn lblln nd bl blbb m mrgngrn ***)

***) nö, allein schon mrgn verursacht magengrimmen...


[was man so klolektüre nennt: "A-E-I-O-U, la vocale non c'è più" von Stefano Bartezzaghi [bekannter ital. kreuzworträtsel-schöpfer] in "Il Venerdì di Repubblica - 17.6.2005 - Nr. 900"]

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