Donnerstag, 26. Mai 2005

...

Er: weißt du, daß ich briefmarken sammle, deren gummi brausepulver mit waldmeistergeschmack enthält?
Ich: und ich hab' im garten artischocken, deren herzen nur für mich schlagen.
Er: also sind wir mal wieder dazu auserwählt, mit leeren händen dazustehen.
Ich: möchtest du ein kaugummi?
Er: (macht böse schlitzaugen)

Mittwoch, 25. Mai 2005

...

scharwonzen
ich bin versessen
auf scharwonzen
dieses unnachahmliche
scharwonzenprickeln
wenn sie hauchzart
im ohr langsam
dahinschmelzen
und im letzten
sehnsuchtsping
verklingen

und dann minutenlang
das starren auf den punkt
im raum, wo dieses
"ping" entstanden

...

[Wo das Meer stillsteht 2,15]

Fröstelndes portrait

kälte kommt in jeder jahreszeit      wie die wand hinter dir
kiefern enthalten immer einen schneetag
die flamme im herd kann so grün werden, daß sie schwarz wird
wenn feuer wirklich wird      kann die kälte sich nicht verstecken
du hast angst      um so mehr ähnelst
du dem, der immer mit dir verwechselt wird

wenn jemand anders      dich unterbringt, riechst du nach medizin
im schal, den der himmel überwacht, gibt es nur regnerische nächte
portraits gehen durch die tür      aber du hängst
an der wand      ein gemaltes gesicht lerntest du erst      nach dem tode fürchten

auch das sonnenlicht wird verwechselt      es ähnelt nur dem licht
fingert im reglosen wind so wie finger, die geringfügig zucken
auch ein spiegel ist wie ein verrückter
ein weißäugiger schwachsinn      ein ozean, der sich nie an toten fisch erinnert
wie der winter      dir dick ins auge spuckt
wenn der körper friert      ist lächeln ein müder rock
lügen      nur dann wieder ausgesprochen, wenn sie dich wärmen
lassen die kälte bis zu den knochen dringen      grausam wie dieses portrait

kälte ist eine metapher      angst vor kälte eine andere
jahrhundertealter vogel, der anderswo schreit
bild eines braunen ohrs, abgefroren vom kopf einer leiche
gräßlich wie dein eigenes
taub genug, um      erkannt      oder gemalt zu werden

[Wo das Meer stillsteht 2,14] <<>> [Wo das Meer stillsteht 2,16]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

Dienstag, 24. Mai 2005

...

was bleibt von all dem
als so ein bißchen atem
die lungen zu füllen
und zu glauben
ich atmete?

Montag, 23. Mai 2005

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ich höre fast die worte
die du sagen willst
aber nicht sagen kannst
weil du nicht im zimmer bist
wenn du zu mir sprichst
sie gehen die treppe hinab
der hund übersetzt sie
in sein bellen - aber vielleicht
hat er auch nur eine
schlange aufgespürt

Sonntag, 22. Mai 2005

...

Salustius, Über die Götter und die Welt - 3,1

3,1 Warum aber – diese Lehren hintanstellend – drückten sich die Alten in Mythen aus? Es lohnt sich, diese Frage zu stellen und aus den Mythen bereits einen ersten Vorteil zu ziehen, nämlich die Haltung des Suchens zu unterstützen und die Trägheit des Geistes zu verhindern.

[Salustius 2,1] <<>> [Salustius 3,2]

...

stelzend durchs hohe gras
verbale krähen artikulieren
mit den augäpfeln hölzern
in der tasche klappern
knoten in der zunge
damit ich's nicht vergesse

Samstag, 21. Mai 2005

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die messer gehen
von hand zu hand
keiner merkt’s
keiner will’s
doch fließt das blut
von mund zu mund

zunächst geschrieben auf italienisch und veröffentlich in meinem neuen italienischen blog: http://blog.libero.it/terzariva/ (ein experiment: wie weit geht das hin- und herpendeln zwischen zwei sprachen (schon dies hier eine selbstübersetzung, was zu kritisieren wäre, denn es sollte texte geben, die mir auf deutsch auf die zunge kommen, und solche, die mir auf italienisch von selbst "zugeflogen" kommen))

Freitag, 20. Mai 2005

...

[Wo das Meer stillsteht 2,14]

Stein auf der fensterbank

stein auf der fensterbank sieht zum fenster hinaus
läßt das ganze zimmer sich zum abhang neigen
in versunkenen schiffen lebender fisch      bereit, zu gräten zu faulen
von der axt zerhackte musik
bäume, immer noch beschäftigt mit grünen fünf-finger-übungen
regenguß, der immer innehält am fenster
benutzt sein innehalten, sich ins zimmer zu schleichen
schleicht sich ein in dich wie der gleichgültige schimmer des steins
ein ganzer ozean neigt sich seinem anfang zu
während du überwacht wirst, kletterst du in ein weichtier
ahnungslos geformt wie eine leiche
die jederzeit von einer krähe angepickt werden könnte
das glas vergrößert die drohung, ohne zu sprechen
ein grauer augapfel starrt dein gesicht an      und ignoriert dich

[Wo das Meer stillsteht 2,13] <<>> [Wo das Meer stillsteht 2,15]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

...

mein turm hat keine fenster
alle meine augen malen
strichmännchen an die wände
jeder strich ist ein strick
jeder punkt ein ende
jedes komma eine pause
zwischen nie und immer

mein turm hat keine türen
alle meine ichs sind darinnen
oder sind es nicht
nur die klopfzeichen wissen

mein turm hat weder decke
noch boden und alle meine
zungen sprechen pipelines
die sich scheinbar endlos
durch die wüste ziehen
bis nach timbuktu
wo das endlose endet
und nichts anfängt

mein turm hat keine wände
aber die sind meterdick

Donnerstag, 19. Mai 2005

...

kopfsteinpflasterworte
für den holperigen text
alles andere ist zu glatt

Mittwoch, 18. Mai 2005

...

Salustius, Über die Götter und die Welt - 2,1

2,1 Was die Lehren betrifft, so seien sie dieser Art. Die Essenzen der Götter hatten keinen Ursprung: Das, was ewig ist, hat keinen Ursprung, und ewig ist, was die erste Kraft hat, auch erleidet es nichts, ganz wie es seiner Natur entspricht. Sie stammen nicht von Körpern ab: unkörperlich sind bereits ihre Kräfte: sie sind an keinem Ort, was hingegen den Körpern eigen; noch sind sie getrennt von der ersten Ursache oder voneinander, so wie die Eingebungen nicht von der Intelligenz, die Kenntnisse nicht von der Seele und die Gefühle nicht vom Lebendigen getrennt sind.

[Salustius 1,2] <<>> [Salustius 3,1]

...

butterbrot mutterbrot
marmelade butter brot
stullenmesser buttermutter
messermutter butterstulle
mutterbrüll messernot
müllerbrut buttermüll
mutternot stullenmesser
stillt die not messerbrot
stullt das brot butterdick
marmelade strull strull strull -
ist das maul auch mampfevull?

...

ohne scheibenwischer : im strömenden mairegen : anfangs sich wellender asphalt : danach tanzt das auge : hinter tausend verschieden : geschliffenen regenlinsen : koordiniert nur noch : vage farbeindrücke : weißer mittelstreifen : rechter fahrbahnrand : grau in grün in weiß : rechts grauer himmel : links ferne sonnenflecken : aber ich weiß nicht : ob dort : wo ich hin muß : aber wozu brauche ich scheibenwischer : verborgen hinter regentropfen : nicht mal die carabinieri sehen : daß ich nichts sehe : nichts sehen will : außer dem : was ich notgedrungen sehen muß : den flirrenden weg

Dienstag, 17. Mai 2005

...

[Wo das Meer stillsteht 2,13]

Trüber sommer

wenn’s dem grün      an kraft mangelt, sich tiefer in die haut des patienten zu saugen
dann ist der sommer notwendigerweise trübe

jeder regentropfen ist bereits fünfmal gefallen
der schwere sumpf auf dem dach zehnmal gewellt und angehoben
die felder      eine matratze ohne wäscheleinen zum trocknen
trockengelegt in deinen gedanken
die in die kiefernnadeln eingravierte geduld kehrt licht unendlich um
es wütet der tote, weil er keine risse im schlamm finden kann

im trüben sommer      bist du genug geschwächt
einen letzten sturm zu erfinden

samen zu splittern und den glasbaum im samen
eier zu splittern und den im gedärm bewahrten schrei
doch worte lassen sich nicht splittern      jedes wort
ein hölzerner haken aus fleisch und blut
ein irriger himmel hundertmal ausgegraben aus einem fötus

stimmt      dieser sommer ist dein sommer
auf dem roten bahnsteig gibt’s nur eine erklärung für das, was unsterblich
der rostige zug darf nicht ankommen
du wirst tausendmal belagert von der luft, welche die toten ausgeatmet
lungen      ein bunt glänzender fluß
der nicht fließt      keine luftlöcher im gestein aus fleisch
jede geschichte endete zweitausendmal

dort, wo du hinstarrst      dort      tränen      wieder

[Wo das Meer stillsteht 2,12] <<>> [Wo das Meer stillsteht 2,14]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

...

kaum im tag
kaum hier
kaum dort
kaum ich
kaum du
kaum wir
kaum
kau gummi!

Montag, 16. Mai 2005

...

Formavit igitur Dominus Deus hominem de limo terrae

da nahm jemand ein stück lehm, drückte ihn platt, und ritzte mit einfachen strichen eine mannesgestalt, so entstand der erste mann, dann kopierte er das strichmännchen und fügte rundes hinzu, so entstand die erste frau, dann trocknete der fluß aus, und das ganze flußbett war ein einziges stück trockenen lehms, da fing er an zu ritzen wie ein wahnsinniger, so daß schließlich das ganze tohuwabohu der welt seinen anfang nahm, dann kam das wasser wieder und löschte alle die krakeleien aus, das war die sintflut

auch eine schöpfungsgeschichte (der es zugegebenermaßen des sündenfalls ermangelt)

...

Salustius, Über die Götter und die Welt - 1,2

1,2 Diejenigen Kenntnisse sind allgemein, in denen alle Menschen übereinstimmen, sofern sie recht befragt werden: daß zum Beispiel jeder Gott gut, jeder Gott unerschütterlich (apathis), jeder Gott unwandelbar ist. Denn alles, was sich ändert, ändert sich zum Besseren oder zum Schlechteren: wandelt es sich aber zum Schlechteren, wird es schlechter; und falls zum Besseren, dann war es zu Beginn schlechter. Dies also seien die Merkmale des Zuhörers.

[Salustius 1,1] <<>> [Salustius 2,1]

...

die mit dem stock im erdreich
nach laune gezogenen rinnsale
in denen das wasser abwärts fließt

du sollst fließen
aber du sollst fließen
nach meiner façon
bergab geht's immer
eine frage des wie

Sonntag, 15. Mai 2005

...

wespen umlungern
die noch verschlossenen
pfingstrosen
flaumenleichte pollenluft
um so schwerer die worte
denen du verfallen

zwingen dich immer
wieder zur erde hinab

...

[Wo das Meer stillsteht 2,12]

Der turm des komponisten

3

die tür knallt zu      und die wut des inquisitors wandelt sich
ein vater rechtfertigt sich leise      überhaupt nicht wie ein vater

da ist ein elf jahre altes ohr im turm
von all seinen jahren an die wand geklebt

lauscht die ganze zeit      wie klang in klang hinstirbt
so wie schweigen      einen stein gehäuften schweigens schafft

ein kind steht oben auf dem hohen turm
verschlingt das böse, das dunkle sterne in seine hand stopfen

der sturm stopft einen schweigenden magen voll
an diesem junimorgen      und zieht dich zurück in des verrückten vergangene nacht

den letzten pfiff hinschreibend
wird der turm mit seiner alternden haut      leicht hinweggeblasen

[Wo das Meer stillsteht 2,11] <<>> [Wo das Meer stillsteht 2,13]
Text nach YANG LIAN, Dove si ferma il mare

Samstag, 14. Mai 2005

...

im autosalon ungeduldiges
warten auf einen freien
autoverkäufer zum glück
kleines büffet zum abkürzen
der zeit finger grabschen
plastikbecher „was willst du?“
zweimal raus zum rauchen
„wann sind die denn fertig?“
dreht sich um auf ihrem
sessel die andere wartende
kundin in spe, achselzucken
und tadelblick: „die machen
auch nur ihre geschäfte“

[meine geschäfte verrichte ich auf dem abort [morgens werden immer die wichtigsten geschäfte erledigt : morgenstund’ hat geschäftsmäßig gold im mund [psychologie des geldes]]]

...

grüne augenkorridore
grasbedeutung
und feldzeichen
im gleitflug die krähe
legt träume aus

Freitag, 13. Mai 2005

...

Salustius, Über die Götter und die Welt - 1,1

1,1 Diejenigen, die sich über die Götter unterrichten wollen, müssen als Kinder [paidon] gut aufgezogen worden und nicht inmitten törichter Meinungen aufgewachsen sein; desgleichen müssen sie von Natur gut und verständig sein, damit sie etwas den Lehren [logois] Verwandtes aufweisen. Außerdem müssen sie in den allgemeinen Kenntnissen bewandert sein.

[Salustius 1,2]

...

da im vorletzten beitrag von heidnischen göttern die rede war, kam mir wieder ein buch in den sinn, daß ich zwar angefangen zu lesen, aber schon lange nicht mehr angerührt habe. es handelt sich um Saloustiou philosophou „Peri theoi“, oder entsprechend der italienischen übersetzung um „Über die Götter und die Welt“ von Salustius (geb. anfang des 4. jh.s), geschrieben zu einer zeit, als die heidnische religion bereits dem christentum zu unterliegen begann. also in gewissem sinne eine die götter lehrende götterdämmerung, wie oft im untergang erst evident wird, was sonst im alltäglichen zur routine ward.
also wieder einmal eine übersetzung, oder besser: eine nachbildung dessen, was ich übersetzend zu durchdringen vermocht. nichts anderes ist dieses mein übersetzen außerhalb aller ökonomischen zwänge. das übersetzen, daß sich diesen zwängen nicht entzieht, betrifft allemal völlig andere texte (z.zt. „nützliche informationen zu den fernsehgebühren“ und die technische beschreibung einer „automatischen schweißanlage“). der text selbst ist kurz: etwa 25-26 buchseiten auf italienisch (mit griechischem originaltext gegenüber), aufgeteilt in 21 kapitel (die übersetzung wird auf dem italienischen basieren, da ich leider kein griechisch kann. bei fragen zum text werde ich jedoch gern versuchen, die textstellen aus dem griechischen original zu transkribieren, auf die sich eventuelle fragen beziehen).
möge es der erkenntnis dienen: im nächsten beitrag kapitel 1,1.

diese absicht ist auch in gewissem sinne autobiographisch motiviert, dieweil ich so auf dem italischen lande lebe, wie das etwa auch in „Ein Kampf um Rom“ an gewissen stellen beschrieben wird. und immer, wenn vom dorf die kirchenglocke herüberschallt, dann stell’ ich mir vor, einen altar für die feldgötter herzurichten. (fast schon eine auflehnung gegen die 10 gebote (und den entsprechenden lutherischen katechismus, den ich einst auswendig lernen mußte)).

...

abstellen des motors
stilles duftendes gras
die aus den stiefeln
befreiten socken voller
geheckselter halme
rauchen, den hund
in die klemme nehmen
zurücklehnen, lauschen
gewitterträchtiges schweigen

[genrebild]

...

Er habe eine nacht in der heidnischen kultstätte auf dem gipfel oberhalb von Cesi verbracht, ohne sich rühren zu können, denn auf seiner brust habe eine viper ihm mit ihrer zunge vorwürfe gemacht, was er sich denn erlaube, hier zwischen diesen vor alters den göttern zu ehren aufgeschichteten steinen seinen weißbiervorrat auszusaufen, um dann um so besser den sternen eins vorschnarchen zu können, dies sei, so die viper, kein obdachlosenasyl, dies seien die häuser der guten und der bösen götter, denn es gebe keine güte ohne missetat, drum dürfe er sich nicht wundern, daß er zwar obdach, aber auch sie, die viper, vorgefunden habe.

William war der Überzeugung, daß das, was Jesus für die Erwählten war, Judas Ischariot für die Übergangenen bedeutete. Nichts in der Schöpfung bleibt ohne Ausgleich und entsprechenden Gegenpol.
Thomas PYNCHON, Die Enden der Parabel

so also sei Er immer noch unterwegs nach Rom, denn erst am frühen morgen habe sie ihn verlassen. geküßt habe sie ihn nicht...

was Er damit meinte, verstehe ich allerdings nicht.

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