Montag, 28. März 2005

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ich weiß ich weiß es ist alles käse und die cheshire cat sitzt immer noch im baum und grinst...

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Matera, Ostern vor vielen jahren... in den sassi beschreibt uns der offiziell nicht vorhandene führer (also keine lizenz) die höhlenbehausungen: "hier warfen sie die trauben rein", "dort wurde ein weiterer keller gegraben", "und hier waren einst..." ja was? ich weiß es selbst nicht mehr. zumindest zeigte seine taschenlampe eine stelle oben an irgendeiner wand: "sehen Sie, man sieht nichts."

Sonntag, 27. März 2005

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ich flöße mir dunkles ein
daß im dunklen denken
stets genug des dunklen mir bleibe
und ich vor licht geschützt
den stimmen besser lauschen kann
mit denen die DINGE zu mir sprechen

es blendet der menschen wort
in ihrer grell-bunten rede

Samstag, 26. März 2005

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[Wo das Meer stillsteht 1,6]

Dunkelheiten
3


jeder regenschauer läßt dich an deinem ende niedersitzen
regen klopft aufs dach      die schritte kleiner tiere
bringen dich reglos in die dunkelheit
bei reglosem wetter brauchst du andere zum schlafen
schlafen heißt fortgehen      die welt der regenzeit geht fort
sobald die dunkelheit durch dich hindurchging wie ein vollblut durchs feuer
höre in dich hinein      überall silbrig weiße nähte
die einen abgetragenen anorak aus fleisch vernähen

jeder schauer fällt nur auf diesen öden grund
wenn du von deinem ende anfängst zu lesen      dann ersetzt unermüdlich
eine schwarze seite mit erklärungen jemanden für den nächsten tag
schmiedet eine adresse      die straße zum friedhof noch schlammiger
nörgelt mit dieser hand      bettler drängen sich in gegenseitigem haß
bilden eine stadt und nirgends ein schutzdach bei regen
ein schwarm durchnäßter krähen prallt in dir zusammen
brüten unterschiedliche verbrechen deren gesichter sich gleich      würde die dunkelheit sagen

[Wo das Meer stillsteht 1,5] <<>> [Wo das Meer stillsteht 1,7]

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nur immer steil hinauf den blick
es dauert nicht mehr lange
die schritte setzen auf gut glück
und sei das herz dir bange
hoch droben nur harrt das geschick
drum reich hinauf die wange
hier unten hemmet schlamm und schlick

wer nie sein brod und heilig
und nüchtern im winde
hanget mein herze o neige
wer kennt es o heinrich mir grauts
daß land aus schmerzen mir reiche
das schlummern der blumen in
leisen weisen wiegender wiesen?
dunkeln versummend verstummend hinfür

Tireli, Tireli –
der treue Müller ist hie.

Freitag, 25. März 2005

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um nicht hinten im hof neben den eingestürzten schweineställen das plumpsklo mit dem großen loch und der dunklen glucksenden scheiße darunter aufsuchen zu müssen, oder weil während der herumstreifereien im dorf kein klo in der nähe war, lernte ich schnell, die gesäßmuskeln zu benutzen und das zu praktizieren, was ich gemeinhin „scheiße wegdrücken“ nannte. man stelle sich das so vor: die beine überkreuz, der oberkörper leicht nach vorn gebeugt, und alle konzentration auf die gesäßmuskeln gerichtet, die dem anus geboten, den mund zu halten. (apostrophierte nicht die über uns wohnende „Schalow’sche“ jedweden, der sich über ihr getrampel beschwerte, mit einem „du arsch mit ohren“?) eine quasi notwendigkeit, die bald in einen sport ausartete, der auch in den fällen, in denen durchaus eine hygienischere möglichkeit vorhanden war, dennoch betrieben wurde. die brachialste variante dieses „sports“ bestand darin, sich auf einen balken zu setzen und den anus solange so heftig dagegen zu drücken, bis der aus dem darm kommende andrang abebbte. in vager erinnerung habe ich auch arg verkrustete unterhosen...

[über die häßlichkeiten des lebens, auf denen trotzdem kleine freuden blühen]

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nässender himmel zur nachtzeit
der morgen breitet pfützen
als spiegel für die wolken
(nicht sicher ist
wer wen anschaut)

unregelmäßig sich weitende schritte
damit die füße trocken bleiben

...

Selig, wer ohne Sinne
Schwebt, wie ein Geist auf dem Wasser,
Nicht wie ein Schiff - die Flaggen
Wechslend der Zeit, und Segel
Blähend, wie heute der Wind weht.
Nein ohne Sinne, dem Gott gleich,
Selbst sich nur wissend und dichtend
Schafft er die Welt, die er selbst ist,
Und es sündigt der Mensch drauf,
Und es war nicht sein Wille!
Aber geteilet ist alles.
Keinem ward alles, denn jedes
Hat einen Herrn, nur der Herr nicht;
Einsam ist er und dient nicht,
So auch der Sänger!


Clemens BRENTANO, Nachklänge Beethovenscher Musik

Donnerstag, 24. März 2005

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die dielen lösen sich auf
fallen
die dielen unter den dielen lösen sich auf
fallen
die dielen unter den dielen unter den dielen lösen sich auf
fallen

(ein kindheitstraum : über die haltlosigkeit des seins : möglich : daß dahinter ein : hoppe hoppe reiter steckt (auch ein unsichtbarmachen vielleicht : deutlicher noch in der geschichte vom schrank : in den ich mit einem hammer eine kerbe schlug : um die kerbe zu verbergen : schlug ich zig ähnliche kerben daneben : so daß die "ursünde" in der wiederholung aufgehoben war (oder auch in dem anderen kindheitstraum : in dem ich von mädchen angegriffen werde : die auch einen panzer dabei haben : "ich bin doch auch ein mädchen" : sagte ich zu meiner verteidigung)))

Mittwoch, 23. März 2005

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das licht verbirgt sich
in seinem widerschein
so wie alles reden
im widerhall verhallt
und der spiegel
nichts von uns weiß

welle und gegenwelle
stillstand und schweigen

spiegel widersprechen
der erinnerung

...

Sur un scarabée de coeur de Basse Époque du Musée de Varsovie (n° 22104) le mot mw.t [mère] est écrit
mwt
(cfr. Andrzejewski dans Rocznik Museum Narodowego w Warszawie, 3 (1958), p. 550); pour d'autres orthographes, voir aussi Birch dans ZÄS, 8 (1870), p. 33.

Michel MALAISE, Les scarabées de coeur dans l'Égypte ancienne (Brüssel 1978)

Dienstag, 22. März 2005

...

der eindruck
es rührt sich nichts

und alles rütteln
an den bäumen
meint immer nur dich

Montag, 21. März 2005

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am pflaumenbaum
blühen die ersten
frühlingsschmerzen

die früchte sind fern
noch liegt dürres laub
vom letzten herbst

raschelt auf
im forthuschen
der eidechsen

Sonntag, 20. März 2005

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betonpfähle mit
vornüber geneigten köpfen
sind noch lange kein grund
ein gedicht zu schreiben

das loch im zaun dazwischen
ist groß genug
um hindurchzuschlüpfen

Samstag, 19. März 2005

...

abenddämmerung

die krähen fliegen zurück
ins morgenrot
aus dem sie gekommen

...

einen schweren stein
zu heben
versetzt die tiere
die darunter leben
in panik

und wenn man uns
den himmel nähme
aus lapislazuli, granit,
steingewordener
asche oder einfach
nur glas - je nach dem?

...

[Wo das Meer stillsteht 1,5]

Dunkelheiten

2

eine geschichtenlose person     entflieht in den tag
mit der geste eines, der dem tag entflieht

eine vergangenheitslose person     passierte
möwen, am abend dann eingearbeitet in ein abstraktes buch

eingesperrt in isolationshaft     wer nicht verrückt
täuschungen     eher splitter als fleisch

glassplitter     zersplitterndes skelett - gehört am stadtrand
splitter einer verwesenden zunge     zwielicht wäscht fort, wäscht einfach fort

ratten quieken     schrilles quieken als zertrampelte das licht sich selbst
jeder tag von jedem tag wach geschreckt

mit einer schwarzen nacht     eine personenlose geschichte
würde selbst zweimal erzählt nicht wahr     würde die dunkelheit sagen

[Wo das Meer stillsteht 1,4] <<>> [Wo das Meer stillsteht 1,6]

Freitag, 18. März 2005

...

nomen est omen est numen

Donnerstag, 17. März 2005

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das handtuch breitend
über den rand des waschbeckens
der linke zeigefinger schon
unterwegs in richtung
auge und kontaktlinse

"liebst du mich eigentlich noch?"

...

von drinnen besehen : starre lichtformen : die ins rauschen des : zimmers dringen
vor der tür hingegen : werden bäume und felder : zur form für den klang : der sich ausbreitenden : „allfälligen“ geräusche : als wollten sie erst im knattern des traktors : ihre berechtigung finden : und zum bilde werden

...

[Wo das Meer stillsteht 1,4]

Dunkelheiten

1

immer wird vergessen das grüne laub wenn     die fenster zu grün
wie jeder im frühling geschmissene kieselstein
treffen sie den frühling selbst

vögel     tragen noch dürre schlittschuhe von blauer farbe
wenngleich des alten hundes augen müde sind

das schwappen des flußufers muß nicht übersetzt werden
die ästhetik des todes     wiegelt das ausschwärmen der blumen

nur die felder     dulden das rasende herz
weiter noch fliehend     wittert blut der april
im sonnenlicht duckt sich der wald hinter uns
wissen das nicht fortgebracht werden kann     bringt wieder fort - die toten
ein gedicht aufsagen     eine vertiefte stille

die andere welt ist immer noch diese welt     würde die dunkelheit sagen

[Wo das Meer stillsteht 1,3] <<>> [Wo das Meer stillsteht 1,5]

...

das geräusch der katzenzunge
die übers fell schmatzt

(ich lebte gern in einer : durchsichtigen eierschale : auf einem anderen planeten... : unausgeschlüpft am dotter saugen : und selber schmatzen : also zurück in die urhöhle (jeder tag ein ursprünglicher tag für den nächsten (den ahnen und dem ahnen zum trotz)))

Mittwoch, 16. März 2005

...

kein name kein tod : darum brauchen wir alle einen namen : damit wir sterben können : und immer wieder der tod : als inbegriff des seins

...

[Wo das Meer stillsteht 1,3]

Requiem, oder zurückfließender fluß

keine nicht in liebe zerstörte liebe
wie im himmel gelähmter himmel
requiem     gespielt für taub gewordene ohren      genug

im schimmernden sopran der steine
fließt jeder fluß wirklich zurück
zurück vom vogelgesang     bäume blasser als der morgen
zurück vom lachen     die von mutter gesammelte frühlingsschachtel
zu gegebener zeit aufgerissen von versessenen kindern

du mußt noch dorthin zurück, wo du immer bliebst

requiem     achtungsvoll hört zu der tod
jemand singt     und geist legt fleisch an      wieder und wieder aufgegeben
zähne strahlen jenseits fahlgelben mondlichts
erinnerung     stillstand im stillstand
ist der himmel der tiefe der musik

bis alle namen tod entziffern
und der tod mit musikinstrumenten spricht
flüsse, die aufgeben, um hilfe zu rufen     fließen zurück, dieses schweigen zu werden
fließen zurück in diesen augenblick     kinder klettern auf grüne bänke
holzpfähle zu blumen aufgeschwappt vom ozean dem kindermädchen
frühling     frühling sauber ausgerichtet
du bist schon gestorben     drum hast du keine angst zu lieben

[Wo das Meer stillsteht 1,2] <<>> [Wo das Meer stillsteht 1,4]

Dienstag, 15. März 2005

...

aeroplane ziehen rosafarben
oblique kondensstreifen
in denen die letzten strahlen
der untergegangenen sonne
(wir standen aug’ in aug’)
diakritisch dem tag die rechte
aussprache verleihen wollen:

azzurro

yang_l1

...

[Wo das Meer stillsteht 1,2]

Träume oder eines jeden flusses drittes ufer

grün ist das grausamste bajonett
doch ein traum     hängt sich wie ein verbrechen fest an gesternfelder
festgehängt in den holzstühlen der fichtenbäume
haben die toten wieder die schule begonnen

wer träumt     muß
dem frühling folgen und in diesen fluß münden
dem fluß folgen     ans dritte ufer schwappen zwischen weißen knochen

diese weiße liebe ist weder dasein noch phantasie
drängt jedoch die tagtäglichen rosen in die gefahrenzone
schickt dich durch ein großes feuer zurück in deine vergangenheit
in der kindheit gespielte melodien werden mit jedem hören qualvoller
eine durch dunkelheit frisch gehaltene wunde     wie ein zwielichtzimmer
auch eine aufs herz gepreßte hand wird widerhallen
leerer und leerer     und umgeben vom flußbett
nur in träumen mißgeschicke eingestehen     denen ein dichter nicht entgeht

es ist dein eig'nes mißgeschick
ein ganzes leben eine lange nacht mit offenen augen
das von dir geträumte land zerfällt und zerfällt unter deinen füßen
wenn es gesunken ins fleisch     tief ist's
wie die verdammung     niemand schläft oder wacht am dritten ufer

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