Sonntag, 30. Januar 2005

...

die worte wüten
und verschmieren
jedweden sinn
zu einem einheitsbrei
ich kann ihnen heute
nur abgewinnen
was auf der palette:

sehnsuchtshimmelblau
neidisches mondgelb
lippenlieberot
hoffnungsgrasgrün
prophetenbartgrau

und alles zusammen
ein schmieriges braun
wie nach dem regen an stiefeln
die klumpen aus erde und lehm

Samstag, 29. Januar 2005

...

ich lege den kopf zurück
und denke: ich denke
und seh' doch nur
verflochtene lichthalme
an lampenloser decke

das ist mein reisen
sobald ich abgefahren
sind alle ziele verpönt
aufstehen und aussteigen
ich habe es immer gehaßt

... ich werde auch
niemals ankommen
(dies den wartenden)

...

o ihr die ihr aus himmel und hölle vertrieben ihr mörder denen viel leides geschah warum seid ihr nicht im schoß eurer mütter geblieben wo es stille war... wo es stille war... wo es stille war... wo es stille war...
was war da noch? da war noch etwas!
ja: und man schlief und man war da...

[ich konnte ihn mal auswendig : den choral vom manne Baal]

Freitag, 28. Januar 2005

...

irgendwie ging's wohl um gut und böse : der philosoph versuchte zu definieren : was dem guten nicht zustatten komme : sei böse : denn das gute wolle alles : habe insofern einen totalitären anspruch : man denke an luzifer und den lieben gott : woraufhin der journalist sich nicht entblödete : zu behaupten : das gute seien die westlichen demokratien : das böse seien der faschismus : der kommunismus : der islamismus : der philosoph indes grinste sich eins : und stellte die frage : "und der hinduismus? so là là?"

Donnerstag, 27. Januar 2005

...

Aints, tsvey, dray -
ven veln mir zayn fray?
hungerik, borvus, op gerisn,
fun tate-mame gar nisht visn -
Got! vi tut dos vay.

aints, tsvey, dray -
der tog vil nisht farbay,
shlepn tsigl, breyter, shtayner
un fun toyte menshn beyner.
Got! vi tut dos vay.

aints, tsvey, dray -
heyer tsu mayn geshray,
fun umbakante masn-kvorem,
kleyne kinder fun khadorem,
on mames bey zay.

aints, tsvey, dray -
gloybn mir getray,
vartn mir un hofn,
vos du host undz farsprokhn -
am Yisroyl khay!


Ester Shtub (1932 - 1944?)

Entnommen aus der Jiddischen Bibliothek der "Bibliotheca Augustana" von Ulrich Harsch. Vgl. "kronologye fun der yidisher literaturgeshikhte"

Mittwoch, 26. Januar 2005

...

ich vergaß heute
meine schlüssel

das ist nun das
zweite mal
seit wir uns kennen

das erste mal
wohnte ich
noch allein

Nachtrag:
The keys to. Given ! A way a lone a last a loved a
long the
(FW)
das ende vom anfang : das zum anfang übergeht

Dienstag, 25. Januar 2005

...

so vertreib' auch ich meine zeit
weil der tag ausflockte wie
schlecht gewordene milch
und weiß (alles weiß!)
nicht so recht (wie schnee)
ob ich dir zuhören soll
oder dem radio (gestöber)
dessen themen du simultan
zu ihm weiterspinnst
am ende hab' ich wieder
gar nichts mitbekommen
weder das eine (schnee)
noch das andere (mich)

so weiß ich jetzt wieder nicht
wie die rüstungen der samurai aussahen
die da im radio beschrieben wurden
weiß aber daß du in genua in einem
museum japanische rüstungen gesehen hast
von denen du nur noch weißt
daß sie nicht aus eisen waren

Montag, 24. Januar 2005

...

ich wohne dort
wo die grauen
schattenfäden fransen
im kurzen zögern
des sekundenzeigers
bevor er weiterzuckt

und im bangen warten auf
das schwellen der pulsader
zähl’ ich die stunden
die am aug’ vorüberzieh’n

ich nenn’s auch leben

[schon hängt der mond in der mitte des fensters : die wolken zeigen ihn mir gnädiglich : während ich überlegte : ob ich hier noch ein begleitwort dazuschreibe : oder nicht // da ich nun mit der mond-hommage fertig bin : ist auch der mond wieder verschwunden (eitel ist der mond! o ja!) // begleitworte: meistens, um das zu relativieren : was pathos und (nun ist er voll zu sehen, der alte mond!) roamanticism mir diktieren : (ich glaub’, er bleibt mir jetzt ein weilchen : die wolken eilen von hinnen!) // oft geht’s auf den weg : weil eine wortkombination mir beine macht : in diesem fall : „dort wo die grauen schattenfäden fransen“ // so bright so bright SHE is : I am forlorn!]

Sonntag, 23. Januar 2005

...

janis

...

as long as you live
you are nothing
than a may be

...

wie ich ihn auch
drehe und wende
der zettel den ich
heute morgen
zusammen mit
einem kugelschreiber
in die tasche
gesteckt und
gerade wieder
hervorgezogen habe
ist leer

Hätte ich etwas auf den Zettel geschrieben, wäre ich mein eigener Rezipient geblieben, aber auch dann, wenn nichts darauf gestanden hätte, dann wäre meine eigene vermeintliche Einfallslosigkeit und augenscheinlich stumpf gewordene Wahrnehmungsfähigkeit allerdings tatsächlich ins Leere gegangen (ich bemerkte heute – dies nebenbei – ein Loch auf dem angrenzenden Stück Land: das Erdreich hatte irgendwo unten nachgegeben, die Oberfläche war nachgesackt). Indem ich aber quasi transkribiere, was zu rezipieren ich anderen nicht vorenthalten will (auch wenn ich nur indirekt weiß, wer die anderen evtl. sein könnten), wird die Leere zum Text. Auch wieder falsch dies „nicht vorenthalten will“. Niemand verlangt, daß ich hier etwas schreibe: Der einzige, der dies verlangt, bin ich. Der einzige, der rezipiert werden will, bin ich. Der einzige, der meint, daß ich rezipiert werden solle, bin ich. Wobei ich auch wieder merke, daß alle Sätze zu revidieren sind, wenngleich sie frisch aufbrechend forsch voranschreiten: Ein leer gebliebener Zettel ist nicht zu revidieren, man kann ihn nur anschauen, ihn drehen und wenden und denken: Aha, hattest wieder mal keine Lust zu schreiben! Denn Wahrnehmen (erst stand dort „Sehen“, aber das ist nur eine Art der Wahrnehmung) und Einprägen hat mit dem Schreiben nichts zu tun.
Der Prozeß ist ein anderer: Es ist nicht mein Ohr, das mich hören will. Es ist mein projiziertes Ohr, das mich hören SOLL. Und als projiziertes Ohr soll es dem imaginierten und als Leser-Ich projizierten Alter Ego (Anders-Ich) zum Resonanzboden werden, der in mir wiederklingen läßt, was ich auf den Saiten meiner My-Heart-Strings-are-a-Lute zur eigenen Genugtuung heraushören möchte. Ein sehr vertracktes und Überraschungen bereitendes Spiel, dessen Regeln sich oft aus den Texten selbst ergeben. Ich selbst bin deren Dirigent meistens nicht, wenn ich auch versuche, meinen Themensträngen zu folgen und ihren Vorgaben zu gehorchen.
Es ist, als wollte ich jedes Mal, wenn ich auf „Veröffentlichen“ klicke, ein mir noch unbekanntes Spiel in Gang setzen. Daß dabei auch viel verspielt wird, dessen bin ich mir nur halbwegs bewußt. Auch Spielen macht süchtig!
Indirekt ist dies auch ein Nachhall zu der von ANH angesprochenen Rezeptionstheorie. Dennoch bezieht sich das Obige unmittelbar auf die Art des Publizierens in einem Weblog.

Samstag, 22. Januar 2005

...

vom tag den du
in die luft sprengen wolltest
bleibt nichts als
das versickernde licht
einer von tausend schnäbeln
zerkrümelten sonne
weder im- noch explosion
nur noch mähliche zersetzung

wer weiß, stellte ich mich
lange genug aufs feld
vielleicht würde auch ich
von moos bewachsen

...

hier verliere ich meine zeit : und finde sie wieder : zwischen verlieren und finden : sucht das schreiben solange : bis ich auf "veröffentlichen" klicke : dennoch ist das : was ich dann finde : oft nurmehr verwischte spur : dessen : was das suchende schreiben : nicht in worte zu fassen vermag : woraus erhellt : daß ich nicht die ganze zeit wiederfinde : die ich hier verliere : (das modem bestätigt insofern diese these : als es sich nach "verliere" : von selbst ausschaltete) : ich merk' schon : suchen macht süchtig : und sucht ist nicht zu befriedigen

Freitag, 21. Januar 2005

...

sein(s)finger

hissfinger

...

kopfunter ein wolkengerippe
unter diaphanem leichentuch
zog gemach wie der tod selbst
über schweigende felder hin

von oben herab
aus schwarzblauen matten
zählte die rippen
ein schöngeistiger klunkermond

Donnerstag, 20. Januar 2005

...

wen aber schwängern
die fragezeichen mit all den
ausrufungszeichen?
denen dann der buckel
sich krümmt im lauf der zeit...
und die ihrerseits beginnen
fragen zu zeugen?

kind ja!
aber vater? mutter?

dennoch weiß ich
warum die fingerkuppe
des mondes heute
verschneit war

ich hab’ den terminillo gefragt
der rosa am horizont
die letzten sonnenstrahlen
trank und trank und trank


[terminillo: bergmassiv bei Rieti im Latium, höchster gipfel mit ca. 2200 m, gut sichtbar bei klarem wetter in ca. 70-80 km entfernung]

...

ask poetry

...

Rote Traube

"Früchtetee mit ziemlich viel Zucker" - wurde beim lesen zu "fürchtete mich mit ziemlich viel Zucker"

Quelle: ici

Mittwoch, 19. Januar 2005

...

ich nenn' dich wind
und steh' dir im weg

wohin ich auch geh'
stets verlier' ich
an dich meinen weg

verberg' ich mich
hinter schützender
windstiller ecke
legst du windeier
in meine ohren

aus dem munde dann
schlüpfet der atem
und ist er entschlüpft
holt der mund ihn
sich wieder zurück

ich nenn' dich wind

...

wie beklemmend oft die im und zum schreiben aufgehobene zeit : zwischen pflicht und pflicht : als wären sie eifersüchtig : dreht die eine mit schwung : mich zur anderen : die mich wieder zurück zur ersteren : spielen mit mir : und wollen nur eins : die zeit vertreiben : so daß am ende keine mehr bleibt

Dienstag, 18. Januar 2005

...

"Er ist wieder da. Wer hat Ihn geseh'n?" Schlager einer gewissen Marion in den 60er Jahren. Er hingegen, hier exklusiv in effigie, voilà:

er

Montag, 17. Januar 2005

...

erdmännchen im sonnenschein
bewachen die braunen furchen
wer es aber wagt, im dunkeln
über die felder zu gehen
dem stellen sie ein bein

(keine ahnung : ob es Er-männchen sind : sie stehen still : und rühren sich nicht : ihre form erinnert an murmeltiere : sie scheinen außerdem vom lichteinfall abzuhängen : (es war so eine stunde von sonnenuntergang) : fast so : wie man zuweilen : in bestimmten WC-kacheln : grinsende grimassen : zu gewärtigen hat)

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