Mittwoch, 27. Oktober 2004
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(O)
spiegelei
speak a lie
überall
überfall
( _ _ ' ) : ( ' _ ' ) : ( ' _ _ )
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"Na, vermißt du mich? hättest mich heute nacht ruhig rufen können, als der blitz euch den strom aus den leitungen fegte."
Ehrlich gesagt, hatte ich an etwas ganz anderes gedacht bzw. nach dem entsprechenden gewitterknall noch halb im nunmehr vergessenen traum meine wahrnehmungen abgetastet, um dann abermals - aber jetzt mit der hand - nach der taschenlampe zu tasten, damit unterwegs zur toilette keine ungesehenen ecken unvorhergesehene unfälle verursachen.
"Wieso? hast du wieder den beruf gewechselt?"
"Du meinst radio E.R.? eigentlich nicht, immer noch in der AT-branche."
"AT?"
"Atmosphärische Turbulenzen."
Ich senkte den blick über die brille und sah gerade noch, wie Er hoch in die luft sprang, ein paar saltos drehte und sich bäuchlings auf den acker klatschen ließ. mit lehmverschmiertem gesicht grinste Er noch kurz zu mir hin und vermischte sich dann mit den aufgeworfenen furchen (die blätter am walnußbaum zittern immer noch).
Dienstag, 26. Oktober 2004
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verfranste kondensstreifen
brennender feuchter
holzabfall hüllt mich ein
in weißen rauch
habemus papam
(aber nicht EINE(R), der (die) daran gedacht hätte, mir zu 100 tagen blog zu gratulieren: nun ist es zu spät... nunmehr wird dergleichen nicht mehr akzeptiert und völlig ignoriert...)
Montag, 25. Oktober 2004
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auf der landstraße
zwischen den beinen
die bierdose
in der linken hand
die zigarette
mit der rechten
die kurven entlang
das autoradio im kopf
überträgt
"Pomp and Circumstance"
(für die "Diebische Elster"
fehlt indes der mumm
und das richtige auto)
Sonntag, 24. Oktober 2004
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oder wörtlich: die haut dalassen) -
fiel mir heute ein, als ich staub wischte
und ich mich daran erinnerte, daß staub
zum größten teil nichts anderes als tote
abgestoßene, abgeschuppte hautzellen
Nachtrag (25.10.): damit das schaf, das ein totes lamm geboren, ein anderes fremdes lamm an seinen euter heranläßt, wird das fremde lamm mit dem toten lamm abgerieben oder ihm wird dessen abgezogenes fell übergelegt (sah und erfuhr ich gestern).
Samstag, 23. Oktober 2004
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vorsichtiges schreiten
kurzes innehalten
fortraschelndes laub
unsichtbare schritte
schieben raschelnd
treten knisternd auf
dürres gelbes laub
im halbdämmer
tapert blind ein käfer
von blatt zu blatt
Freitag, 22. Oktober 2004
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heute wieder gedichte versenken auf nimmer- und vielleicht wiedersehen wie die bäume entlang der straße unten in der niederung von nebelzungen fortgeleckt morgen - wer weiß - gar nicht mehr existieren nebel-leben |
heute wieder texte geangelt aus dem nebelmeer der gedanken und wieder hinabgeworfen auf nimmer- und nur vielleicht wiedersehen so wie die bäume entlang der straße nebel-leben |
Donnerstag, 21. Oktober 2004
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immer ticken in küchen küchenuhren
das ist die stille der küchen
das ticken ihrer küchenuhren
und es gibt keine stillere stille
als das ticken der küchenuhren
Mittwoch, 20. Oktober 2004
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Any time you want
A write a fucken poem
Ope this bookJack KEROUAC, Richmond Hill Blues
prrrrrrrrr
die vitrine - kloing - spiegelt
das vom tischchen - tschonk -
gespiegelte - wroam - vom mond
gespiegelte s[ssssss]onnenlicht
die sonne hat keinen spiegel (aha!)
oder ist die summe allen - o! - lichts
das von ihr ausgegangen - geh aus
mein herz, such freud' such freud'...
Dienstag, 19. Oktober 2004
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darin die sichel immer dicker wird
bald wölbt sie vor zur fingerkuppe,
bohrt sich ein gleißend' loch und
zeigt auf dich, wo du auch stehst
Montag, 18. Oktober 2004
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Der Himmel war grau im Oktober
nur fern noch zirpen zikaden
das Laub eine mürbe Zier
"Lontano" pfeift's: Ligeti
das Laub eine dorrende Zier
gleichmut versehrende seele
Ernst sprachen wir, kühl, im Oktober
ferne spendender, rot-roter wein
doch dachten wir lahm und wirr
sich fortkeimendes mordreimendes wort
the ghoul-haunted woodland of Weir
(pretty weird you are, aren't you?)
es dunkelt, und welche Nacht!
es humpelt der geist
und bettelt um pracht...
[Kursive Stellen aus "Ulalume - Eine Ballade" von E.A.POE, deutsch von H. WOLLSCHLÄGER]
Samstag, 16. Oktober 2004
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links ein loch für fußgänger (die tür)
rechts ein loch für augenblicke (das fenster)
in der mitte ein loch (der bildschirm)
damit das stumme loch
in meinem gesicht sieht
was es sagen würde
wenn es den mund auftäte
(wozu ihm allerdings die nötige motivation fehlt)
nein
damit der dumme mund weiß
was potentiell gesagt werden könnte
(aber meist nicht gesagt wird)
nein
damit die geschlossenen lippen
aufeinandergepreßt bleiben können
(gram, groll, grimm)
nein
damit über die tastatur
der kopf durch konventionelle
zeichen über die cpu des pc
auf dem bildschirm auf diese
weise vermittelt anzeigt
was der mund so nicht
mehr laut sagen muß, nämlich:
wer schreibt, der schweigt
(früher gab's sogar noch lochkarten und locher, und fiese leute nannte man arschlöcher (übrigens: lange nichts mehr von Loch Ness gehört))
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daß du heute schon so
daß du schon da bist
daß du schon jetzt
dein enttäuschtes gesicht
als du feststellst
daß dein blutdruck normal ist
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nun habe ich mich wieder in die brennesseln gesetzt, weil ich nur halb reflektierte, was mir spontan zu einem text einfiel: wieso argumentiere ich bei Alban Nikolai Herbst mit unmenschlichkeit bei einem text, der im grunde nichts anderes beschreibt, als das, was oben auszugsweise bei Schmidt [jetzt im weiterschreiben - eine nacht lag dazwischen - kommt auch noch die lang zurück liegende lektüre von Döblins "Berge, Meere und Giganten" hinzu] steht? Herbst selbst zitiert auch noch eine zerstörung beschreibende stelle bei Homer. was also war in Herbsts text, das mich erschreckte (und dadurch unbewußt abschreckte, und was mir bei Schmidt und Homer nicht passiert)? eine frage der sprache durchaus. Homer und Schmidt benennen (wenngleich jeder anders) nicht direkt, vergleiche und metaphern helfen den blick dennoch abwenden, machen das grauen erträglicher, weil in der sprache selbst über die realität in eine andere realität hinausgehoben, die nicht mehr dem geschehen angehört (haut / spitzenkrausen; die auf der tenne dreschenden stiere / achilles' über leichname stampfende rosse). im argo-text wird das geschehen kaum durch vergleiche vermittelt, und die verwendeten vergleiche (pflaumenmus, ähren, schaumküsse) verschwinden in der masse der sich verselbständigenden menschlichen innereien. und vermitteln kein darüber hinaus. das einzige bild, das doch noch distanz suggeriert, ist der fernsehapparat am schluß, der all das zeigt. vielleicht ja hier die klippe, auf die der schiffbruch-zuschauer gehoben wird, was bei Schmidt und Homer die durch die bilder geleistet wird, die über die beschriebene realität hinausheben. aber das fernsehen schafft eine allzugroße distanz, als daß es katharsis erzeugen könnte. und daß dies nun ausgerechnet das TV ist, paßt allerdings in die gegenwart, in die der text erklärtermaßen eindringen will. das ist sogar symptomatisch für eine gegenwart, die unfähig ist, sich über die brutalität der welt zu entsetzen, wenn nicht durch einen allein unter die eigene haut gehenden halb lust- halb angstschauer, wobei die sicht auf die dinge entstellt wird durch die in jenem medium öffentlich suggerierten interpretationsmodelle, die allerdings auch nur die interessen der meinungsmacher interpretieren. behauptet wird, was geglaubt werden soll. - ja, und gerade durch den fernseher wird die beschriebene apokalypse noch unmenschlicher. (was wiederum auf die gefilmten enthauptungen im Irak indirekt verweist, und nicht zuletzt auch im reflex auf die kopf-ab!-äußerungen in den zeiten der Rote Armee Fraktion (stichwort "Menschheitserfahrung als Archetypos" [Herbst]).
fazit: der argo-text löste in mir aus, was er in jedem leser auslösen sollte: kein ablehnen des textes, sondern immer auch ein abtasten der eigenen, normalerweise unzugänglich abgespeicherten bilder. die anfängliche reaktion ist die eines nachrichten-konsumenten, der nicht über das berichtete nachdenkt, sondern es durch klischeehafte kommentare zudeckt und so in seine bedrohte heile welt hinüberretten will.
Donnerstag, 14. Oktober 2004
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daß du heute schon so
früh nach hause kommst
ich wundere mich
daß du schon da bist
ich habe dich
später erwartet
ich war gar nicht
darauf vorbereitet
daß du schon jetzt
zurückkommst
aber immer wenn du
später kommst als
ich denke oder erwarte
denke ich
gleich ruft die polizei an
und ich stell' mir
einen unfall vor
und dann denke ich
gleich ruft die polizei an
ich dachte
ja, was dachte ich eigentlich...?
was wollen wir
eigentlich essen
oder wollen wir
ins kino
oder wollen wir
was du willst
oder soll ich?
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nein, hier kommen ganz andere überlegungen ins feld, die ganz deutlich mit dem schreiben zu tun haben und möglicherweise auf diesem umweg auch mit dem bloggen selbst, oder mehr noch: mit dem niemandsland zwischen dem persönlichen tagebuch und dem anspruch, über das persönliche hinauszugehen und darum etwas zu schaffen (denn tagebuch ist nicht unbedingt ein kreatives unternehmen, denn es rekonstruiert schlimmstenfalls den im idealfall reflektierten unkreativen alltag, um dann als rechenschaftsbericht dazustehen). zum einen die brutale offenheit ganz eminent sich selbst gegenüber als voraussetzung für die nach außen gekehrte schreibende offenheit (offen - öffentlich), was das tagebuch in eine FREUDsche couch verwandelt oder es in ein instrument verwandelt, den lesern im sinne einer verzweifelten ich-behauptung ihr eigenes im vergleich zum ich des schreibenden minderwertiges ich um die ohren zu schlagen und zu erniedrigen (auch wenn der schreiber dies nicht bewußt veranschlagt): denn alle selbstbehauptung will sich gegenüber dem nicht identischen anderen durchsetzen, sich über ihn bzw. es hinwegsetzen. zum anderen die umwandlung des reflektierten in sprachliche reflexe einer sich im schreiben gebärenden welt... schönes bild: etwas, das sich selbst gebärt: fortpflanzung der einzeller: primitivstes leben! - also von vorn: zum einen die beschreibung eines allen gängigen geschmacksmustern zuwiderlaufenden ich, das so sich selbst auf die sprünge hilft und sich seiner selbst vergewissert (das unreflektierte ich); zum andern das sich in beziehung setzende ich, wobei es aus den vielfältigen beziehungen ein ganz eigenes geflecht und eine extrem individuelle eigenwelt entstehen läßt, wohin immer auch diese beziehungen sich verzweigen (das sich reflektierende ich).
und was hat das jetzt mit dieser - ja doch von ANH - initiierten diskussion zu tun (denn hier liegt der ausgangspunkt für diesen text!): um "antiquierte sprache", um "poetische sprache", um "bloggen" und "sich verschiebende zeitachsen"? scheinbar nichts, ginge es nicht um schreiben und lesen tout court.
für mich persönlich gilt nach wie vor dieses: die scheinbare öffentlichkeit dieses blogs zwingt mich, mich zu äußern und zu veräußerlichen. und gar nicht so, wie ich das als student damals tat mit einem blatt papier vor mir, das ich am ende nur noch vollkritzelte mit hieroglyphen, die ich am nächsten tag gar nicht mehr verstand, geschweige denn guthieß. was nicht heißt, daß ich nicht auch hier zuweilen "bereue". die öffentlichkeit zwingt zu einer art kontrolle, sogar zu einer selbstzensur: nicht alle themen sind für mich auf diese weise ansprechbar, besonders die nicht, die "ans eingemachte" gehen: darum meine obigen ausführungen, sie können nur von mir ausgehen, was sonst wäre mein schreiben. das sogenannte "eingemachte" bedarf einer behutsamen annäherung, das entsprechende "einweckglas" könnte sonst einen fürchterlichen gestank von sich geben und die luft nachhaltig verpesten. ich muß vorsichtig sein! schließlich lebe ich nur dieses leben, und ich möchte es mir so lebenswert wie möglich erhalten.
allerdings bin ich zu sehr auf mich selbst bezogen und zu sehr erschreckt mich, was seit beginn dieses blogs an "literaturbetrieb" in meine ja doch recht isolierte welt einbricht (aber es gilt auch: "schaden" führt zu klugheit), als daß ich sehr viel weiter eingehen könnte auf dahinter liegende "gängige" theorien. darum: immer aus dem hohlen bauch heraus (der ist natürlich auch nur hohl, weil er gerade fertig ist mit verdauen, denn ganz ohne nahrung geht's auch nicht, auch wenn eine andere diät auf dem programm steht).
Dienstag, 12. Oktober 2004
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paß, kaufvertrag, steuerbescheid -
seltsame, von hinter schaltern sitzenden
damen mit geheuchelter freundlichkeit
überreichte oder in anonymen büros
lustlos "erstellte" spuren meiner selbst
um sie dann als ich-bin-nachweis
hinter schaltern sitzenden damen
mit geheuchelter freundlichkeit zu überreichen
dann lieber spurlos verschwiegen
weil alle worte die spur der gedanken
in diese hineintrampelnd verwischen
die lust, mit dem auto mitten
durch eine pfütze zu fahren
Montag, 11. Oktober 2004
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letztes wetterleuchten
(I dont need thunderclouds)
vater fährt in'n regen
wo's donnern tut und blitzt
und mutter weckt die kinder
voll furcht und kümmernis
ein bangen in der stube
es rucket in der finsternis
es zucket licht in fenstern
vater steigt auf masten
wo's was zu flicken gibt
vater bringt den strom zurück
den hat der sturm genommen
verziehende wolken
erste sterne
torkelnde insekten
(The little bug thrasheth /
on the table / Hungry
to burn in the candle)