Samstag, 25. September 2004

...

vorstufe des zagenden sagens:
der blick in den himmel
vierhändiges falten
trockener laken
quer durch die küche
gelesene sätze
wortscharmützel
sagenhaft verzagt

hauptstufe des zagenden sagens:
selbsthaftend schon fast
das einschmiegen der worte
in die vier himmelsblicke
küchenschaben und
schmutzkakerlaken
quergelesener falthände
um die sich tarnmützen scharen

sobald ich mein eigener Sputnik
geht's mich fast nichts mehr an

Freitag, 24. September 2004

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abgewandt aller behausung
mit philosoph, bier und zigarette
sucht mich heim
denken
sucht mich heim
müßigkeit ist aller laster anfang
sucht mich heim
feuchter wind
sucht mich heim
sucht

neugierig schnuppert
der hund an mir
ich jage ihn jedesmal fort
heimsuchung auch das

abgewandt aber aller behausung
weiß ich, was heim ist,
nicht zu einem haus zu errichten
baue vielmehr ab
was unheimlich
und heimlich
sich mir anheimeln will

Donnerstag, 23. September 2004

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inquisitorisch braune kutte
unterhalb der grauen borte
ein etwas hellerer rand
an der wand im lampenschein
die federförmigen fühler
heruntergeklappt an den seiten
des fleischig wölbenden nackens
- sah mich plötzlich an
von der kante des tisches
auf den ich das buch gelegt

klumpte im dunkeln
worte zu bildern
stieß im jähen kontakt
meinen kopf empor
ratterte hexentexte
brummte aufbrausend
anklage-crescendos
verhieß nachtlanges
surrenkrabbelnschwirren
der helfer, die kamen
und foltern beschreibend
mich zwangen
der zeit abzuschwören

Mittwoch, 22. September 2004

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Orlik, der Zoologe, wandte der Versammlung den Rücken zu, während er aus verschiedenen Höhen und Gesichtswinkeln die Wirbelsäulen der Bücher auf den Regalen jenseits des Flügels untersuchte, hin und wieder eins herausnahm, das keinen Titel trug - und es eilig wieder zurückstellte: alles zwieback, alles auf deutsch - deutsche Lyrik. Er langweilte sich und hatte eine gewaltige, lärmende Familie zu Hause.

NABOKOV: Das Bastardzeichen

Dienstag, 21. September 2004

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baut sich kein haus hat kei-
nes mehr kein haus hat, baut
sich keines mehr lange brie-
fe bleiben wird schreiben le-
sen, wird wachen, wach un-
ruhig, lange bleiben wird blei-
ben, wer jetzt allein - alleen
hin und her im treiben wird
lange bleiben, wenn die blätter
wenn die unruhig hastig blätter
mehr und rasch und her - und lange
- und lange
- und lange
- und lange
unstet hasten hin und her

[Variationen zu RILKEs Herbsttag]

Montag, 20. September 2004

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aus der schwere meiner augenlider
begreife ich, warum die im handteller
bequem liegende kleine metallmaske
lidlos halb schielend halb ängstlich
und zur seite schauend keine hat
(der blick ist fast schon ein ängstlich
nach innen gewandter, die zunge
wölbt sich über die unteren zähne
und leckt halb die verwundete oberlippe,
halb läßt sie im artikulieren
von ich weiß nicht was
zischende luft aus der hitze des innen),
die auf meinem schreibtisch
dem spiel der finger zuliebe liegt:

weiter geht's und halt die augen offen!

[gruß an norbert, der sie gemacht und mir in berlin geschenkt hat, und die hier nun schon zum zweiten mal in erscheinung tritt]

Sonntag, 19. September 2004

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bauchhöhlensprache
kavernöses vibrieren
WOMB
bauchsprachenhöhle
grottologische glossen
WOMB
meine mu meine mu
saß am euter strippstrappstrull
WOMB
ob der ku ob der ku
sprachhöhlenbauch
WOMB
bassophiles klangrelief
once upon a time
WOMB
there was a moocow
höhlenbauchs sprechloch
WOMB
enuma ana moo moo
WOMB

and this moocow that was coming down along the road met a nicens little boy named baby tuckoo...

[seven WOMBs read twice is one valentine]

Samstag, 18. September 2004

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nachts, da verkleide ich mich
lege den gürtel des orion an
und reite auf einem kamel
zu den pyramiden im tal der könige

unter dem schleier des neumonds
kauere ich mich unsichtbar
zwischen die tatzen der sphinx
die summt mir ein eiapopeia

wenn das nilkrokodil mein herz
in die unterwelt gebracht hat
erwacht mein fleisch und bebt
aber die sphinx hält meine beine fest

erst wenn ich den gürtel abgelegt
läßt sie mich schnurrend von hinnen
und bevor ich den lichtschalter finde
bin ich fünf mal gestolpert

(Archiv: 14.1.2002)

Freitag, 17. September 2004

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regennaß herabhängende
äste entlang der straße
auf der rückfahrt vom kino
der LKW vor mir
bestreute meinen weg
mit eichenlaub

...

ich mit rückenschild
aufschrift: "ging allein"
(als ich in 30 jahre alten
gedichtkladden blätterte)

Donnerstag, 16. September 2004

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ich bitte das weblog um verzeihung, bei dem ich diesen satz kopiert habe:

sogar diese gigantischen berge haben mir durchaus gefallen

er rührt mich fast zu tode!

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Wie wenig sich doch ändert im Lauf der Jahre:

14.6.1998 (22.24)
Depressionen:
1. Sich in Verzweiflung oder Melancholie verzweigende Schwermut. [Höll-Mut! Hell-Mood!]
2. In der Astronomie eine negative Höhe! [mein Sinn steht indes nach positiven Tiefen!]
3. In der Geographie eine abflußlose Landsenke unter dem Niveau des Meeresspiegels. [Und irgendwann schwappt das Mehr über einem zusammen!]
4. In der Meteorologie ein Gebiet tieferen Luftdrucks. [Druck!]
5. In der Physik vgl. Kapillaritaet [Haare!], ansonsten irgendeine zu niedrige Einstellung bei Quecksilberthermometern beim Eispunkt, die einem Wert von max. 0,06°C entspricht. [Krytpomnemotischer Quecksilbersee... ???]
6. In der Wirtschaft [sic!] Tiefstand im Konjunkturablauf.
Frei nach Brockhaus und bezogen aufs reale Leben.

Mittwoch, 15. September 2004

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so stand sie am zaun gestern nacht:
phosphoreszierendes weiß
darunter eine ahnung von körper
leichtes wallen der falten im wind
soviel ich auch starrte und
wer reitet und harrte so spät,
daß willst, feiner knabe, sie
ich weiß nicht, durch welchen zauber
es scheinen die alten mich
holen würde so brauch' ich gewalt
und starrte so grauset's am ende
in seinen armen und wiegen und
licht nur? licht nur hörest du nicht
mit mühe und not und gab einen
ruck mir und ich seh' es genau
und schloß die fensterläden
sei ruhig, bleibe ruhig, mein kind
und der spuk war vorbei so bang
und legte mich wieder lang so lang
und

grenzen der menschheit
heißt das nächste gedicht

Dienstag, 14. September 2004

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Kräh, wie'n finsterer teig steht sie da in der kalten buche, wie die inner gerupften landschaft platz nimmt und reckt's blattlose geäst, und nach winters einfall ne schlichte beinharte nummer is mit nem eignen kram, da im nebel aus nix-zum-greifen-stoff, und kräh und buche stehn da im putz aus dunst.

Feridun ZAIMOGLU: Kanak Sprak. 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft

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draußen früh um sieben
im auf und ab die erste zigarette
aus dem badezimmerfenster
klangen dazu im aufrauschenden nichts
abstürzende nachrichten
meinungen und singsang
aus dem transistorradio
bei der suche nach einem sender

selbst anastacia mußte dran glauben

Montag, 13. September 2004

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Mit den Sackgassen sprechen, / vom Gegenüber, / von seiner / expatriierten / Bedeutung - : // dieses Brot kauen, mit / Schreibzähnen

Paul CELAN

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fädenziehende wolkenlaiber : aufgedunsener wasserdunst : türmende wattegebirge : aber die bäume schütteln das haupt : ihre wurzeln suchen unter der erde

Sonntag, 12. September 2004

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was ich im vorbeigehen : durch die fensterscheibe sehe : wundert mich zunächst : ein im lampenschein : vages haus dort : wo sonst keins steht : bis ich anfange : es in der fensterscheibe : zu erkennen

...

[usw. ad libitum]

timbuktu_2

Erstellt von Bernhard Mühr am 10. Mai 2000 (vgl. Bild-Link).

[usw. ad libitum]

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