Ibn Hamdîs

Donnerstag, 5. Oktober 2017

Ibn Hamdîs, Diwan, XI

1
Ich hab’ sie genossen; - wann hab’ ich je mich vergnügt? -
das Roß blieb ungeschoren, das Roß meiner Jugend, mein Reiten.

2
Der eine Tag, reichlich und guten Proviant zu horten, der andere,
der häuslichen Gazelle nachzujagen.

3
Und als sie mit mir stolperte, war’s wegen der Trunkenheit, der
zwischen einem Glas und einer Tasse ich begegnete.

4
Die Nächte dann verbrachte ich unter den Antilopen, die, eifersüchtig
auf mich, sie im Streit untereinander verbrachten.

5
Und wenn meiner Jugend Pfeil auf die Sonne zielte,
dann war’s, weil sie ihm gehören sollte.

6
Jede Verführerin bedrängte mich
mit einem von ihr parfümierten Apfel,

7
und aus der Schlinge der Umarmung löste mich erst
die Morgenröte, die das Auge des Betrachters weckte.

8
In mir die Wunde eines schmachtenden Blicks; auf meinem Arm
der Biß eines Mundes und seiner schönen Zähne.

9
Merk auf den Wohlgeruch, dessen Mutter die Rebe:
verströmt ihn aus in der Hand, die ein junges Zweiglein.

10
Alt geworden in klösterlicher Obhut, auf der
Amphore das Siegel des Kreuzes.

11
Und weil er dir in den Kopf gestiegen, zögerst du mit dem Trinken,
Heilung kommt dir mitnichten vom Arzt.

12
Trink davon früh des Morgens einen Schluck vom Reinen;
jung und lebhaft ist der Alte aus trockenen Trauben.

13
Als wär’ sein Schaum sein Schopf,
umgibt sein Haupt ein altes Haar.

14
Und gießt man Wasser in sein Rubinrot,
wird ihm in der Flamme Ersatz.

15
Perlen steigen auf von seinem Grunde,
reih’n sich auf des Glases Bauchung.

16
Ich nahm ihn und sanft wehte der leichte
Wind, stark und duftend.

17
Und nun die Mägdlein mit süßen Gesängen,
kommen trällernd, den Tristen zu erheitern.

18
Jedes mit perlroten Fingern
der mit Henna gefärbten Hände.

19
In ihren Busen ließen sie schlagen einen Hammer, so daß
sie die Hände an die Öffnung des Korsetts hielten.

20
Und als sie die Süße ihres Gesangs hatten hören lassen,
leerten wir mit ihnen die Tassen der Schuld.

21
Schleppten hinter sich ihre schwarzen Haarprachten -
wie schwarze Schlangen schlängeln über Sandhaufen.

22
Rhythmisch im Tanz ihre Füße,
die die Klänge einer Laute begleiteten.

23
Zeigten auf ihre Gliedmaßen und spielten an auf das,
was in ihnen liebend zum Traurigsein neigte.

24
Sprachen untereinander frei heraus wie Zweige,
die im Zephyr und im Südwind schaukeln.

25
Auf die Erde legten sich unsere Wangen,
und auf die Rippen die Wangen der Herzen.

[Ibn Hamdîs, Diwan, X]

Donnerstag, 28. September 2017

Ibn Hamdîs, Diwan, X

1
Ein Verliebter, der sich abzehrt, wenn er der begegnet, die ihn sich
abzehren läßt, genießet die Leiden seiner Qual.

2
Seine Liebe zu verhehlen, verbarg er sie vor neugierigen Augen,
die aber doch der Tränen gewahr wurden und ihres verborgenen Sinnes.

3
Wie viele, die ihm mit Tadel im Ohr lagen, aber das Herz
mit seinem Schlagen wehrt sich ihres Anschlags!

4
Herr der Herzen ist der Schönen Liebe. O sag: wie können
unsere Körper sich seiner Herzen erfreuen?

5
Wird mir also Trost, wenn sie vor mir erscheint mit reifen
Früchten, ein Zweiglein, schaukelnd mit bebender Brust?

6
Und erheben im Meer der Leidenschaft sich nicht hoch die Wellen
im Ost- wie im Nord- wie im Südwind?

7
Und prangt nicht in der Seele der Mond, der die Liebe erweckt und
dahinscheiden läßt mit seinem Auf-, mit seinem Untergang?

8
Es paarte sich mit der Rose der Wangen der Skorpion ihrer
Schläfen und bestäubte ihren Busen mit Moschusstaub.

9
Das Auge ist geblendet vom Glanz ihres Lichts,
und die Seele trunken vom Duft, der von ihr ausgeht.

10
Im Auge liegt ihr ein Unwohlsein, dessen Liebreiz gleich dem ist, das
ihr Klagen und ihr Traurigsein um mich breitete.

11
Oh Zauberei! Deren Heilung dem Arzt mitnichten gegeben.
Hast du vielleicht einen Ersatz für die heilende Kunst?

12
Sie kommt mir in den Sinn, wenn der Kriegslärm dem aufrichtigen Herzen
des Freundes den Gedanken an den Freund vergessen läßt.

13
Das Schwert im Aufeinanderschlagen der Schwerter, wenn es gezogen,
hat den Tod in seinem Lachen und eine finstere Miene.

14
Schlank wie die Bienenkönigin, wär’s leichter,
auf dem Meer als auf ihm zu reiten. [*]

15
Aus dem schwarzen Mantel heraus scheint der schwarze Rabe
sich in seine Schwärze zu tauchen.

16
Mit seinem Eifer führt es dich schnurstracks fort
wie das Wasser einer Röhre, deren Stöpsel entzwei.

17
Läufer von alter Rasse, sonder Müh’ den andren voran,
und strebt zum Ziel, denn ihm fließt hochherzig das Blut in den Adern.

18
Und zeigt sich dir mit vier Beinen, die Natur
ihm gemodelt zur Körperbeschaffenheit.

19
Es scheint, als sei die Lebhaftigkeit seiner Augen, seines Geistes
sich von den Ohren übertrage auf die Fersen.

20
Er wirft die Hufe aufs weite Terrain und beklagt sich dann,
daß es seine Sprünge beengt.

21
Es läuft und besiegt den Blitz, erreicht sein Ziel,
noch bevor er seinem Blick entschwindet;

22
und weil sein schwarzer Widerschein der nächtlichen Finsternis ähnelt,
flitzt es durch den Abend eingehüllt in den Glanz seines Mantels.

23
Blut spritzt mein Schwert beim Kampf mit den Löwen,
die er niederstreckt dort, mit dem Federbusch des Schwanzes.

24
Eine Klinge fürwahr, die einem Flusse gleicht, auf dem sich
die Wellen kräuseln im leichten Wind, der über sie dahinfährt.

25
Es zogen sie auf in den Feuern die Hände einer Schmiedin, und wird
als Feuerzeug dienen, sie zu entzünden am Tage der Schlacht.

26
Es scheint, es seien in seinem Wasser und in seiner Flamme
Ameisen, die schwimmen und laufen.

27
Und wenn sie dem Halswirbel eines Kühnen begegnet, dann trennt sie ihn durch,
und meine Hand steht ihr bei in dem, wonach sie sich sehnt;

28
und es scheint, daß der Kühne sie mit dem Sterbenden teilt, damit
der Anteil des einen dem des anderen gleicht.

[*] Schiaparelli hat: „Smilzo come l’ape regina, quando tu lo cavalchi […]“. Im Doppelvers davor war die Rede von “spada” (Schwert), so daß sich die maskuline Endung nicht darauf beziehen läßt. Hinzu kommt ein „reiten“. Es muß sich um einen Gedankensprung handeln (oder ist da eine Lücke?), das Folgende kann sich jedenfalls nur auf ein Reittier beziehen, ob Pferd, ob Kamel. Hier wäre das Hinzuziehen eines Arabischkundigen sinnvoll.

[Ibn Hamdîs, Diwan, IX]

Samstag, 23. September 2017

Ibn Hamdîs, Diwan, IX

1
Die Liebe brach das Siegel der Tränen, die flossen dahin;
mit ihnen wollte ich die glühenden Kohlen löschen, die dann erst recht glühten.

2
Und nicht sicher war ich mir, daß das Wasser, noch bevor sie liefen,
das Feuer anlockt, das in den Eingeweiden brennt.

[Ibn Hamdîs, Diwan, VIII]

Freitag, 22. September 2017

Ibn Hamdîs, Diwan, VIII

1
Wer denn verschafft mir das Vergnügen eines Mädgens,
voll in den Brüsten, dem das Ergrauen ein Makel?

2
Mit Henna färbt es schwarz seine Hand,
aus Liebe zum schwarzen Schnauzbart der Jugend.

3
Laß den Kampher: es ist die schwarze Farbe,
an der mir das Erkennen erblüht.

[Ibn Hamdîs, Diwan, VII]

Montag, 18. September 2017

Ibn Hamdîs, Diwan, VII

Er besingt die Liebe

1
Ich hab’ euch verlassen, und die Trennung von euch war hart,
die auszuhalten weder der Körper noch das Herz vermag.

2
Gestorben sind die Fernen. An welchen Rat soll ich mich klammern
jetzt, da unsere Verwandten in alle Winde zerstreut?

3
Wirst du bleiben, nachdem die Reiter fort sind? Wie ohne dich
bleiben? Die Reiter sind fort.

4
Wie viele suchen nicht das Meer auf, Meer des Schmerzes,
deren Auge sich für dich mit frischen Perlen füllt!

5
Nicht aus Haß verließ ich deine Heimstatt,
denn die Liebe stirbt erst, wenn man sie ausgelebt.

6
Ich erhoffe keinen Frieden von der Zeit,
die den Krieg entflammen ließ.

7
Und ist das Schicksal wohlgesinnt, oh! wie oft wird nicht
umgänglich der Unbezähmbare und zahm der Widerspenstige.

[Ibn Hamdîs, Diwan, VI]

Sonntag, 17. September 2017

Ibn Hamdîs, Diwan, VI

Er beschreibt das Meer

1
Ich seh‘ dich sturmumtost durchfahren ein riesiges
Meer, auf dem man vor Fährnissen nie sicher sein kann.

2
Dein Schiff wird hin- und hergeworfen nach Ost, nach West,
vorwärts getrieben vom Süd- und vom Nordwind.

3
Mehr aber noch als die Überquerung des Meeres, dünkt mich,
ist hart zu ertragen, was dich genötigt, es zu tun.

[Ibn Hamdîs, Diwan, V]

Samstag, 16. September 2017

Ibn Hamdîs, Diwan, V

1
Die Finsternis lag wie schwarze Tinte ausgegossen auf der Erde,
und mit der nächtlichen Reise zerriß ich ihren Schleier,

2
die Freundinnen zu besuchen. In deren Dickicht verbargen sich
die Feinde gleich wütenden Löwen, die den Blick schärfen.

3
Der Stamm wußte nichts davon, und ich ging auf glühenden Kohlen der Feindschaft,
die den, wäre er denn aus Eisen, schmelzen ließen, der den Fuß darauf setzt.

4
So groß meine Leidenschaft, daß mein Haar davon weiß wurde, daß selbst
ein Jüngling in der Blüte der Jahre, davon ergriffen, weiße Haare bekäme.

5
Ich ritt eine Kamelstute, die den Weg nur so verschlang,
in deren Adern reines Rassenblut floß;

6
mit smaragdgrünen Klauen an Hufen, die sie im Laufen
auf Steine setzte, ohne sich zu verletzen.

7
Zum Beweis reckte sie den Hals, so daß sie fast das Wasser
zu trinken bekam, das die Winde in den Wolken vorwärts peitschen.

8
Sie schreckte mit mir die Eule auf, als hätt’ ich sie, die Stute,
eigens um sie, die Eule, zu jagen, bestiegen.

9
Begleiter war mir ein Schwert, dessen Maserung wie Ameisengewimmel,
damit sich Fliegen ihm zugesellen.

10
In seinem Wasserglanz schien’s, als hätte die Sonne
mit ihren Strahlen ihren Speichel darauf gespien.

11
Der Morgenröte Schlange hatte die Sterne verjagt
wie ein Sturzbach, dem die Luftblasen zum Opfer fallen.

[Ibn Hamdîs, Diwan, IV]

Freitag, 15. September 2017

Ibn Hamdîs, Diwan, IV

Er singt von der Liebe

1
Sie kam mich besuchen, obwohl sie fürchtete, gesehen zu werden,
sie schien ein Zicklein, das der Wolf erschreckt.

2
Der Kampfer war im Weiß ihrer Farbe,
der Moschus im Duft ihres Parfüms.

3
Als wollt‘ sie den Durst einer geplagten Liebe zu löschen,
für die sein Herz sich entflammt,

4
mit einem Kühleborn, dessen Kiesel
wie aufgereihte Perlen schimmerten.

5
Aber als ich mich durch einen Schluck daran laben wollte,
flatterte, ein umsichtig Vögelchen,

6
sie hinfort. Nun sag’ mir einer von einer Sonne,
die untergeht, wo sie aufzugehen pflegt:

7
sie zu treffen war kürzer noch
als die Unterredung eines Predigers.

[Ibn Hamdîs, Diwan, III]

Donnerstag, 14. September 2017

Ibn Hamdîs, Diwan, III

Er singt von einer Seerose

1
Du trinkst aus dem Becken der grünen Seerose
mit den rötlichen Blüten.

2
Grad so, als züngelten sie
Feuer aus dem Wasser.

[Ibn Hamdîs, Diwan, II]

Mittwoch, 13. September 2017

Ibn Hamdîs, Diwan, II

Er beschreibt das Ergrauen und erinnert sich an die Liebe zu seiner Heimat

1
Die Sorge ums Ergrauen schlug der Jugend Freude in den Bann,
das Ergrauen, wenn’s erglänzt, läßt dunkle Nacht heraufziehen.

2
Ich hatte den Mittagsschatten der jugendlichen Kraft erreicht
als sie, sich neigend, sich von mir entfernte.

3
Vermagst du meinen verlorenen frischen Jahren Trost zu spenden?
Wer das Übel vorfindet, ist auf Abhilfe erpicht.

4
Soll ich meine grauen Haare schwarz färben,
damit sich Nacht über die Morgenröte stülpt?

5
Wie soll ich den gefärbten Haaren trauen,
wenn mir der Glaube in die Jugend fehlt?

6
Ein leichter Wind, ein Zephyrhauch
murmelte frisch, lieblich verscheidend.

7
Wir, auf Reisen, und der Regen, ihm verschwistert,
ließ den Himmel Tränen fallen auf das tote Land.

8
Hörtest Donnergrollen durch die Wolken rollen:
als röhrte der Kamelhengst seinen Stuten zu.

9
Aus ihren Säumen zuckten Blitze
funkelnd wie gezückte blanke Klingen.

10
Die Nacht umhüllte mich in ihre Finsternis:
“O kommt, ihr, der Dämmerung Lichtbringer!”

11
Und du, oh Wind, wenn je du die Wolken in Regen auflöst
und den durstigen Lagern davon zu trinken gibst,

12
weh mir die trockenen zu,
damit ich sie tränke mit dem Wasser meiner Tränen,

13
und mein Weinen begieße die Wohnstatt der Jugend;
denn nie, in der Trockenheit, hörte sie auf, von Tränen benetzt zu werden.

14
Mach, daß ihnen nicht dürstet, den Resten einer heimatlichen Wohnstatt,
sei’s trächtige Wolke, die sich nähert, sei’s eine, die fortzieht.

15
Wenn du sie nicht kennst, wisse, daß von ihren Zweigen
die Hitze der Sonne den Duft der Aloe ausströmt.

16
Das soll dich nicht wundern, denn in den Zimmern der Liebe
erfüllt ihren Raum der Erde Wohlgeruch.

17
Es weilt unter ihnen mein verliebtes Herz;
aus ihnen schöpf’ ich den letzten Seufzer meines Körpers.

18
Zimmer, denen meine Wünsche zustreben,
wie die Wölfe, die in den Wald sich begeben.

19
Dort war ich den Löwen Gefährte im Dickicht;
dort sucht’ ich die Gazellen in ihrem Lager auf.

20
Jenseits, oh Meer, von dir, hab’ ich ein Paradies,
wo mich Wonne gekleidet und nicht des Unglücks Gewand.

21
Als ich auf den Morgen wartete,
zogst du mir zum Trotz den Abend dazwischen.

22
Oh, wär’ es mir gelungen, meine Gelübde erhören zu lassen,
als das Meer mich hinderte, sie zu erreichen,

23
ich hätt’, es zu überwinden, den Mondbogen als Boot benutzt,
bis ich dort hätte umarmen können eine Sonne.

[Ibn Hamdîs, Diwan, I]

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