kaefige

Sonntag, 18. Juni 2006

käfige XIX

etranger

Alger, 1935. Un modeste employé, Meursault, enterre sa mère sans manifester le moindre sentiment.

Donnerstag, 16. März 2006

käfige XVIII

gabbie

stummte der vater ein weilchen vor sich hin : tat's ihm gleich : der sohn : stummte er (der sohn? der vater?) also weiter : dann : (vater:) „du willst mich wohl loswerden?“ : (sohn:) „nein, wieso, wie kommst du darauf?“

Mittwoch, 8. März 2006

käfige XVII

sandkasten

gelbe plastikplane überm sandspielkasten : regenwasser : erde : kiefernnadeln : hineingeworfenes
das bild zum vorigen käfig : es hat meinen vatergroll : auf abwege gebracht : er : jung und strong : ein lässiges lächeln mit pfeife : der schatten meiner mutter
winter und kalte winde : tagelang : regen und herabfließende erde : jetzt erst : unter einem statischen himmel : der zwar licht gebiert : aber auch schatten wirft
was ein blinder mit dem krückstock sieht : ich sehe es nicht mit wachen augen
und mir ist als hätten wir am wege in der nähe unserer ersten wohnung : rasierklingen gefunden : und jemand hätte sich geschnitten : und es sei blut aus der wunde geflossen : spiele mit nachbarskindern : die bald wieder fortzogen : grad so wie ich : spielend immer noch : weiterziehend immer noch : das leben als dia-show : das eine verdrängt das andere : und so immerfort : A sagt das auge : und vergißt es beim B : während der mund schon beim C : und die hand sich ein D hascht

Samstag, 4. Februar 2006

käfige XVI

fahrrad

ins dorf : ins dorf : die letzten häuser vor dem letzten kilometer zur grenze : den schützenplatz und den garten : mal beiseite gelassen : als orte : zur beschreibung der käfige : in denen ein gewisses denken gefangen ist : an dem verstehen abprallt : und erinnern zur unmöglichkeit wird : nur noch der gedanke : hier stand das haus : dahinter auf dem hof : die tischlerwerkstatt : der anderen familie : die im hause wohnte : auf dem hof weiter rechts das plumpsklo : von dem es später hieß : unter irgendeinem alten mann hätten die morschen bretter nachgegeben : und er sei hinunter gefallen : in all die fäkalien : die erinnerung an die alte frau : die dort ebenfalls ein zimmer bewohnte : und mir immer ein brot mit marmelade vorsetzte : fein säuberlich in kleine rechtecke geschnitten : „oma matlath“ : drei fotos : eines von meinem zwanzigjährigen vater vor der vorderfront im bräutigamshabit : (wäre es farbig, ihm stände etwas röte im gesicht : der blick verlegen : verschämtes lächeln) : es gibt sonst kein hochzeitsfoto : meine mutter kam zwei wochen nach der hochzeit mit mir nieder : (merkwürdiger ausdruck) : zwei zeigen mich als wulstbeiniges kleinkind mit der tochter des tischlers in der hofeinfahrt : als drittes ein ball dabei : halt : und noch ein viertes : wo ich auf dem fahrrad vor meinem vater sitze : das fahrrad an die gegenüberliegende stallwand gelehnt : und die nachnamen : tischler markwart : matlath : ma : ma

Donnerstag, 22. Dezember 2005

käfige XV

shadow

es wachet der wachtberg über die niederungen der ohre : er hügelt gemächlich landeinwärts : freier blick bis hin zu den grenzbefestigungen : auf der den niederungen abgewandten seite : sandkuhle und sportplatz : feuerspeiender hügel : zu ostern und am 17. juni : dem einstigen tag der deutschen einheit : heidnisch das osterfeuer : um das sich nur die jungen kümmern durften : die noch nicht konfirmiert waren : dem feuer beiwohnen indes durften alle : propaganda das „mahnfeuer“ : rot-weiße banner mit schwarzer schrift : todernst schweigende fackelträger : (es redet der chef) : markige reden : frrrraihait : einmal sogar gegenpropaganda aus der ostzone : lautsprecher störten das markige reden : mit anderen markigen reden : frrrraihait : attraktion eines lauen sommerabends : grund für spaziergänge vom hügel zur grenze und umgekehrt : hand in hand : oder familienweise gerudelt : schau- und hörlustig : während die funken flogen : am ende die blaskapelle : und „blüh’ im glanze“ : aus allen kehlen : in denen hinterher ein anderer brand : zu löschen war

Donnerstag, 8. Dezember 2005

...

haltgrenze

käfige XIV

ins niemandsland jenseits der ohre führte eine brücke aus holz : dort stand ein gerüst wie einst vor der mauer am brandenburger tor : und von dort aus konnte man etwas mehr vom nachbardorf sehen : sah aber nur die häuser am dorfrand : niemals menschen : ab und zu einen vopo : die hatten keine augen : sondern immer ferngläser anstatt der augen : gelegentlich standen autos mit fremden kennzeichen vor der brücke : das stieg dann aufs gerüst : guckte zeigte kommentierte : und fuhr dann zur nächsten grenzübersichtsstelle : der hohe drahtzaun dann später : elektrisch geladen : sprühte funken : wenn man etwas dagegen warf : weiter dahinter die betonmauer : die auch erst später hinzukam : ein paar kilometer weiter in der ostzone-sbz-ddr : das heimatdorf meiner mutter : aber das sind andere geschichten : wie auch die beiden onkel : die von dort aus über die ohre geflohen sind : und es grölt herüber vom tresen : der jungmänner chor : auf irgendeinem samstags-schwof : da oben auf den bergen : da steht ein gerüst : da werden die weiber : elektrisch geküßt : electrocuted

Donnerstag, 1. Dezember 2005

...

ohre

käfige XIII

heumahd die ohrewiesen wie assonanz zu heimat : kräuselt heugrün frauenhaar unter weißen hauben : riesenrechen häufen heu : forken fuchteln senkrecht um heuwagen : wanken hochbeladen hof- und scheunenwärts : barfuß in wassergräben durch betonröhren tief gebückt : flinke frösche in flinkeren fanghänden : das weiß man : daß dies den ohren mädchenschreie schenkt : aber dann wie gelähmt auf dem hochsitz inmitten der baumgruppe nahebei : weil der cousin vorgibt : eine schlange gesehen zu haben : und verlegenes drucksen vor frauenlächeln : und nicht nur die arme nackt : bei den jüngeren : lachen sich eins : barfuß in kurzen hosen : das hemd mit den indianern drauf : warme nasse füße : lachen sich eins

Mittwoch, 23. November 2005

...

pfcahm

käfige XII

auf den wiesen an der ohre (heimatkunde : urstromtal) wuchsen wohl auch champignons. fuhr man also champignons sammeln, mit dem fahrrad in der früh’. kroch man unter über zäune. hatte stets das plattencover einer atom heart mother vor hinter neben sich stehen. auch wenn es die noch gar nicht gab. damals. elektrozäune auch, die anzufassen und den in die muskeln zuckenden stromschlag auszuhalten als mutprobe galt. electrocuted.
und wurde geweckt eines morgens von mutterstimme : „kommst du mit, pilze sammeln?“ : ich mochte nicht : blieb liegen : doch packte mich : nachdem sie weg war : das schlechte gewissen : machte mich meinerseits auf den weg in die wiesen : wo man nichts sah als weißen nebel : die mutter im nebel irgendwo : tappen rufen tappen : dann ein schemen nur : grobkörnig zunächst ihre gestalt : blendete sich ein : was mutter war

pking

Freitag, 18. November 2005

...

cotedor

käfige XI

die flasche bockbier austrinken, ein stück schwarze nußschokolade im mund zerkauen, aller pflichten mich enthoben fühlen, wovon mich fensterblicke ins dunkel hinein versichern...
ich weiß noch, wie einst die ohre zufror. das einzige mal, soweit ich mich entsinnen kann. vielleicht war sie ja auch noch nicht begradigt. das war auszunutzen. also die schlittschuhe an den klobigen schuhen festschrauben und los. bei den anderen klappte es natürlich besser. meine schlittschuhe hafteten nicht so gut, gingen dauernd ab, so sehr ich auch mit dem schlittschuhschlüssel fuhrwerkte. auf der anderen seite der grenze schauten uns die vopos mit ihren ferngläsern zu. ich kam schließlich mit flatschender sohle zu hause an.
entlang der straße zur grenze gab es gleich hinter dem schützenplatz ein trübes gewässer: die lehmkuhle, rings von bäumen umstanden, und ergo gut versteckt. die fror öfter zu. hier spielte man eishockey mit entsprechend zugeschnittenen ästen. als puck dienten leere kaffeesahnebüchsen (“nichts geht über bärenmarke, bärenmarke zum kaffee“), schließlich befand sich gleich dahinter der müllabladeplatz (und in die feuerchen die leeren spraydosen: das gab einen knall und die dosen flogen in die höh’). viele rauchten hier ihre erste zigarette. an DEN husten kann ich mich noch erinnern.

Montag, 14. November 2005

...

radenbeck

käfige X

worum es geht: um den käfig meiner geschichte. besser noch: um die käfige, in die mich meine geschichte einsperrt. in denen ich umhergehe, mit dem finger, der über die stäbe wie über saiten gleitet, deren klang jedoch dumpf nur an ein plumpsen erinnert. kein harmonischer nachklang, kein ausklingen, keine good vibrations. das sind die käfige, die ich meine. die ich meine nenne.
ich weiß nicht mehr, wer einmal sätze schrieb, die alle anfingen mit: „ich weiß noch, wie“, um einen erinnerungsprozeß einzuleiten, um die „ich weiß noch“ weitere „ich weiß noch“ auslösen zu lassen. im grunde sehr simpel. ich habe es schon einmal probiert und merkte: es funktioniert.
etwa:
ich weiß noch, wie einmal die ohre begradigt wurde. die ohre ist der grenzfluß zum kreis salzwedel (einst ddr), der dann bei magdeburg in die elbe fließt. sie fließt etwa einen kilometer entfernt von meinem heimatdorf (siehe wappen). das bedeutet u.a. auch, daß die grenze zur ddr zum greifen nahe lag (aber davon später). bei der begradigung wurden große schlammhügel aufgehäuft, in denen es u.a. von aalen wimmelte. ich weiß nicht, ob sie jemand gefangen hat. ich fuhr (ich weiß nicht mehr, mit wem) mit dem fahrrad dorthin – und erinnere mich an diese schlammhügel.

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